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Das Blumenorakel

Das Blumenorakel

Titel: Das Blumenorakel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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war unschlüssig von einem Bein aufs andere getreten. Wie sollte sie später Friedrich erklären, dass sie mit einem fremden Mann eine Schlittenfahrt unternommen hatte?
    Flora hatte schon zu einem Nein angesetzt, als eine Ladung Schnee von einem herabhängenden Ast rutschte und genau auf ihrem Kopf landete. Prustend und lachend hatte sie sich geschüttelt, sich die nassen Haare aus der Stirn gestrichen. Unter niedergeschlagenen Lidern hatte sie in Konstantins blasses Gesicht mit den tiefen Schatten unter den Augen geschaut. Wie sehnsüchtig er auf ihre Antwort zu warten schien …
    Eine Schlittenfahrt. Warum eigentlich nicht? Daheim brauchte schließlich niemand etwas von diesem kleinen Abenteuer zu erfahren, oder?

    Â»Auf so eine Idee können wirklich nur Sie kommen!«, sagte Flora nun erneut. »Ich möchte mal wissen, welchen Grund es gibt, dass Sie mich derart verwöhnen …«
    Â»Jeden Grund der Welt«, entgegnete Konstantin. »Sie sind jung, Sie sind schön … Das Leben ist auch schön und wir zwei sind dazu auserkoren, es zu genießen!«
    Flora errötete. »Jung und schön« – so etwas hatte ihr noch nie jemand gesagt.
    Â»Sie wissen gar nicht, wie glücklich Sie mich damit machen, dass Sie mich begleiten. Genau betrachtet haben Sie mir das Leben gerettet – ich wäre sonst vor Langeweile gestorben. Danke, dass Sie mitgekommen sind!«
    Flora keuchte vor Schreck auf, als er sie auf die Wange küsste. »Konstantin! Wie können Sie –« Abrupt brach sie ab und zeigte aufgeregt mit der Hand nach rechts. »Schauen Sie, das ist die Stelle, wo im März ganze Teppiche von Schlüsselblümchen blühen! Und da hinten – da wächst herrlicher wilder Flieder.« Vergessen war der vorwitzige Kuss, Floras Blick wanderte sehnsuchtsvoll die Allee entlang. »Wenn nur endlich wieder Frühjahr wäre … Ich sehne mich so sehr nach Farbe und Duft, und ich habe solch eine Lust aufs Blumenpflücken!« Gierig trank sie einen Schluck Champagner. Einen Moment lang glaubte sie, den Duft des Frühlings in ihrem Glas riechen zu können.
    Konstantin seufzte lang und tief. »Ihr Leben mit dem Wechsel der Jahreszeiten, Ihre Naturverbundenheit – ich finde es bewundernswert, wie hautnah Sie alles erleben. Fast könnte man sagen, Sie sind ein Teil von alldem hier! Das ist es wohl, wasman Heimat nennt. Seltsam, aber in Ihrer Nähe wird mir immer wieder bewusst, was ich selbst verloren habe. Ich verspüre keine Wurzeln mehr, nirgendwo das Gefühl von Heimat. Ich könnte Ihnen höchstens sagen, wann in welcher Stadt die Opernsaison beginnt, ob es eine Theaterpremiere zu feiern gibt oder wann man sich wo zur Jagd trifft.«
    Flora schaute ihn von der Seite an. »Das, was Sie Heimat nennen, ist doch eigentlich nichts Besonderes. Kann man sich nicht auch nach dem Fremden sehnen?« Im letzten Moment gelang es ihr, ein paar besonders tief hängenden Tannenzweigen auszuweichen. Während Flora sich duckte, schnappte sich eines der Pferde im Trab ein wenig von dem Tannengrün und kaute genussvoll darauf herum. Konstantin und Flora mussten lachen.
    Â»Anfangs fand ich alles Fremde ebenfalls erstrebenswert, und Heimatlosigkeit bedeutete für mich vor allem Freiheit.« Konstantin machte eine weit ausholende Geste. »Ich wollte die engen Fesseln meines Zuhauses aufknüpfen und neue Wege gehen. Doch inzwischen frage ich mich, ob ich nicht in einer Sackgasse gelandet bin.«
    Der bittere Klang seiner Stimme überraschte Flora. Er wirkte doch sonst immer so zufrieden! Sein Gesicht war nur eine Handbreit von ihrem entfernt. Sie konnte die großen Poren auf seiner Nase sehen und die goldenen Sprenkel in seinen dunklen Augen, die im Licht der fahlen Sonne glitzerten. Der Drang, ihn zu umarmen und mit tausend kleinen Küssen wieder aufzumuntern, war auf einmal übermächtig.
    Â»Aber trägt man die Heimat nicht immer im Herzen?«, fragte sie leise. »Und kann man nicht auch in der Fremde Wurzeln schlagen? Vielleicht sollten Sie wirklich wieder mit dem Malen beginnen.«
    Â»Nichts täte ich lieber. Gerade in Ihrer Gegenwart fühle ich eine solche Inspiration, als ob Ihre Kreativität ansteckend wäre. Aber da ist Püppi … Sie wird immer wunderlicher. Und kränker! Tagein, tagaus geht es nur noch um ihre Befindlichkeiten. Wassie essen kann und

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