Das Blumenorakel
Wahrscheinlich konnte man diese Frage nicht einfach mit ja oder nein beantworten. Irina wusste nur, dass sie es gern glauben wollte. Ihre Gelder verschmolzen mit den unerschöpflichen Reichtümern von Popo â¦
Auch Sicherheit konnte Glück bedeuten.
Auf dem Weg in den Saal begegneten ihr zwei der Tänzerinnen. Sie kicherten, wie nur junge Mädchen kichern konnten. Was für schöne Trachten die Frauen in der hiesigen Gegend trugen! Bewundernd schaute Irina hinter den beiden her. Die farbenfrohen Kleider hätten bestimmt auch Püppi gefallen, wahrscheinlich hätte sie sofort solch ein Exemplar besitzen wollen.
Püppi ⦠Ausgerechnet heute musste Irina oft an die alte Weggefährtin denken. Was sie wohl zu ihrer Verlobung mit Popo sagen würde? Und was dazu, dass Konstantin mit dem Blumenmädchen tändelte?
Damals, vor langer Zeit, hatte sie tatsächlich geglaubt, erempfinde etwas für sie. Wahre, groÃe Gefühle, so wie sie sie für ihn gespürt hatte. Etwas, was man Liebe nannte.
Liebe! Irina schnaubte. Konstantin Sokerov kannte nur eine Form davon und das war die Eigenliebe. Doch wie gut hatten sich seine zärtlichen Umarmungen angefühlt â¦
Nun verschleuderte er seine Gunst also an die Blumenbinderin. Da! Jetzt stand er doch tatsächlich schon wieder bei ihr an der Hintertür!
Und wie sie ihm nahekam ⦠Gerade so, als wolle sie in ihn hineinkriechen. Wie schamlos â glaubten die beiden etwa, die Welt um sie herum sei blind?
»Du hast für uns beide ein Zimmer bestellt? Bist du verrückt? Was wird wohl Fürstin Irina dazu sagen, wenn ich mich einfach aus dem Staub mache, statt ein Auge auf die Blumendekoration zu haben?« Obwohl sich Flora um einen strengen Ton bemühte, konnte sie ihre Freude über seine Tollheit nicht verbergen.
Eine Stunde Glück. Vielleicht auch zwei ⦠Sie lächelte in seliger Vorfreude.
Konstantin nahm ihre Hand, küsste die Innenfläche. »Komm, mein Blumenmädchen, lass uns keine Zeit verlieren. Mich dürstet nach deinem Körper wie einen Verdurstenden nach einem Glas Wasser!« Schon wollte er sie durch die Tür in den hinteren Flur des Hotels ziehen, doch Flora stemmte sich gegen ihn.
»Warte! Da kommt die Fürstin.« Sie wies in Richtung Speisesaal, von wo Irina Komatschova mit grimmiger Miene direkt auf sie zusteuerte.
»Auch das noch. Oje, unsere Verlobte scheint nicht gerade bester Laune zu sein«, murmelte Konstantin. Er winkte Irina mit strahlendem Gesicht zu, dann drehte er sich rasch zur Hintertür um. »Ich bin weg!«, flüsterte er Flora atemlos zu. »Nach Irinas Launen steht mir wirklich nicht der Sinn. Wir haben Zimmer 9 , erste Tür links, hörst du? Und warte nicht zu lange, denn nach dir steht mir der Sinn umso mehr.«
»Lausbub!«, sagte Flora kichernd. Sobald er verschwundenwar, straffte sie die Schultern und wandte sich ihrer Auftraggeberin zu. »Fürstin Komatschova, gefallen Ihnen meine Blumenkörbe?«
Irina machte eine ungeduldige Handbewegung. »Die Blumenkörbe, ja, ja ⦠Aber lenken Sie bitte nicht ab. Glauben Sie, ich habe nicht gesehen, wie Kostia und Sie ⦠Wie ihr euch aufführt? Das ist schlimmer als in einer Oper von Puccini! Dieses Getändel und Getue ⦠Dass Konstantin keinen Anstand besitzt, weià ich schon lange, aber von Ihnen hätte ich solches Verhalten nicht erwartet. Als Geschäftsfrau sind Sie doch sonst immer so schlau!«
Flora glaubte, einen Schlag ins Gesicht bekommen zu haben. »Ich verstehe nicht â¦Â«
Irina Komatschova sah sie wütend an. »Sie verstehen sehr wohl! Haben Sie etwa geglaubt, wir sind alle blind und dumm und merken nicht, dass Kostia es auf Sie abgesehen hat? Konstantin Sokerov ist arrogant, selbstverliebt und faul â und das sind noch seine guten Eigenschaften! Darüber hinaus ist er ein Meister darin, das zu bekommen, wonach ihn verlangt. Jemanden, der seine Rechnungen bezahlt, ein bisschen Luxus, einen jungen, willigen Körper. Was glauben Sie wohl, was Sie für ihn sind? Eine kleine, billige Affäre, mehr nicht!« Die Fürstin raffte ihre Röcke, fuhr auf dem Absatz herum und stakste davon.
Fassungslos schaute Flora ihr nach.
Konstantin faul und selbstverliebt? Wie konnte die Fürstin nur so über ihn herziehen? Wenn sie ihn derart verachtete, warum lud sie ihn dann ein? Sie
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