Das Blumenorakel
über die Vorzüge einer Trinkkur wollten jedenfalls die wenigsten hören, so viel stand fest. Oder seine Ãberzeugung, dass eine Trinkkur und eine Badekur am besten Hand in Hand gehen sollten.
Und ob es den Mitgliedern des Kurkomitees wirklich so ernst war mit ihrem Bestreben, aus Baden-Baden eine echte Kurstadt zu machen, bezweifelte Friedrich inzwischen auch. Für die vielen Ideen, die er im Laufe des Jahres über Heilwasserkuren geäuÃert hatte, schien sich niemand richtig zu interessieren. Eigentlich hatte er ja gehofft, dank seiner Ideen würde auch erin dieses Komitee berufen werden und einen höheren Posten bekommen. Aber so wie es aussah, blieb er wohl für alle Zeiten nur der Hausbursche der Trinkhalle.
Auf Höhe des Theaters kam Friedrich der Wirt des Hotels Marie-Eluise entgegen. Friedrich grüÃte mit einem freundlichen Nicken und wollte weitergehen, als Gustav Körner ihn zurückhielt.
»Sie kennen doch viele Leute hier in der Stadt, und von den Gästen kennen Sie auch etliche, oder?«
Friedrich runzelte die Stirn. »Ja, das stimmt â¦Â«
»Ich dachte ⦠Also, ich wollte fragen ⦠Nun, wissen Sie vielleicht zufällig jemanden, der mein Hotel kaufen will?«
Friedrich seufzte. »Sie haben sich also wirklich zum Verkauf entschlossen?«
Der ältere Mann lachte bitter auf. »Als ob ich eine Wahl hätte. Mir ist im letzten Jahr nicht nur die Frau weggelaufen, auch meine Gäste sind nach und nach ausgeblieben.«
Friedrich schüttelte den Kopf. »Eine Schande ist das. Wo doch eine der besten Quellen unter Ihrem Haus hindurchflieÃt!«
»Das erzählen Sie bitte meinem zukünftigen Käufer. Bisher suche ich den allerdings ohne Erfolg. Vor dem Krieg, als es das Casino noch gab und die Franzosen zu uns geströmt sind, wäre es wahrscheinlich ein Leichtes gewesen, mein Haus loszuwerden, aber jetzt?« Gustav Körner legte den Kopf schräg, und zum ersten Mal blitzte ein Lächeln in seinem verkniffenen Gesicht auf. »Sagen Sie, Herr Sonnenschein, wäre das Marie-Eluise nichts für Sie?« Als er Friedrichs ungläubigen Blick sah, fügte er hinzu: »Sie kennen sich mit unseren Heilquellen besser aus als jeder andere. Von Ihnen weià ich ja erst, wie gut unsere Quelle ist. Ganz ehrlich, ich glaube, Sie könnten mein Hotel zu einem beliebten Ort für Heilsuchende machen.«
Friedrich lachte. »Na, jetzt übertreiben Sie aber.«
Der alte Mann nickte müde. »Wahrscheinlich bekomme ich meinen alten Kasten eh nicht los. Dabei würde ich Baden-Baden lieber heute als morgen verlassen, um zu meiner Schwester nachMünchen zu ziehen. Endlich weg von dem Ort, an dem mich alles an Marie-Eluise erinnert.«
Lächelnd marschierte Friedrich weiter in Richtung Trinkhalle. Der Körner kam auf Ideen! Er, Friedrich, als Hotelwirt. Und Flora die Wirtin, ha! Als ob sie im Blumenladen nicht schon genug zu tun hatte. Und Mutter? Die würde an der einen Hand Alexander halten, mit der anderen die Tische decken und darüber nachgrübeln, ob werktags Kerzenleuchter angebracht waren oder man sich die für den Sonntag aufsparen sollte!
Bei der Vorstellung, wie Ernestine mit einer kleinen weiÃen Schürze bekleidet einen Speisesaal eindeckte, musste Friedrich laut auflachen.
Andererseits â wahrscheinlich würden sie sich nicht einmal schlecht anstellen. Seine Mutter verstand es immerhin, einen Haushalt ordentlich und sauber zu führen. Flora konnte gut mit den Leuten umgehen, und er kannte sich mit den Baden-Badener Quellen aus.
Davon abgesehen, dass sie nie das Geld für den Kauf zusammenbringen würden ⦠Flora und er bei der Arbeit vereint â würde das überhaupt gutgehen?
Unwillkürlich verdunkelte sich Friedrichs Miene.
In letzter Zeit war Flora so anders! Dabei hätte er nicht einmal gewusst, wie er es genauer beschreiben sollte. Sie ⦠sie reagierte zum Beispiel immer zu übertrieben. Wenn sie einen Scherz machte, war sie dabei zu lustig. Wenn sie sprach, Alexander ein Lied vorsang oder mit Kunden diskutierte, war sie dabei eine Spur zu laut. In ihren Bewegungen war sie zu hektisch. Und ja, sie war oft sogar zu zärtlich! An manchen Abenden warf sie ihre Arme um ihn und drückte ihn, dass er kaum mehr Luft bekam.
Es gab aber auch andere Tage. Die, an denen sie kaum ein Wort sprach und mit geistesabwesendem Blick
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