Das Blumenorakel
Doch dann hatte sie alles wieder weggepackt. Es waren schlieÃlich Konstantins Farben, es war seine Kunst, nicht die ihre. Ihre hatte sie verspielt. Wie alles andere auch.
»Früher, als Püppi noch lebte, hast du immer gejammert, wie sehr dir das Malen fehlt. Jetzt, wo du die Zeit dazu hättest,interessiert es dich nicht mehr«, sagte sie kühl. »Ständig hast du tausend Gründe, erst gar nicht damit anzufangen. Dabei ist es doch eine Gnade, sich mit so etwas Schönem beschäftigen zu dürfen!«
»Ehrlich gesagt weià ich nicht, warum du dich so aufregst.« Konstantin hauchte ihr einen Kuss auf die Lippen, dann schaute er sich suchend im Zimmer um. »Mein Hut?«
Flora runzelte die Stirn. »Du gehst weg? Schon wieder? Wollten wir nicht einen Ausflug hinauf zum Alten Schloss machen? Heute wäre das Wetter dazu ideal.«
»Ja, gewiss, aber das Alte Schloss rennt uns nicht davon«, erwiderte er. »In Iffezheim findet hingegen heute ein Pferderennen der besonderen Art statt â scheinbar treten nur deutsche Offiziere gegeneinander an. Nicht, dass ich mich sehr für Pferde begeistere, aber Popo hat mich überredet mitzukommen. Er meinte, es sei interessant zu sehen, wie gut die deutschen Tiere sind.« Er lachte auf.
»Und ⦠wann kommst du wieder?« Flora konnte nichts gegen die Enttäuschung in ihrer Stimme tun.
»Das weià ich noch nicht. Warum machst du dich nicht auch etwas zurecht, gehst in ein Café oder flanierst ein bisschen die Promenade entlang?« Er drückte ihr einen Geldschein in die Hand. »Und wie wäre es, wenn wir heute Abend wieder einmal in die kleine Weinstube gehen, wo es den herrlichen Zwiebelkuchen gibt?« Ohne Floras Antwort abzuwarten, tippte er an seinen Hut und warf ihr zum Abschied einen Handkuss zu. »Amüsier dich schön! Ich verspreche dir, ich werde es auch tun.«
»Daran habe ich keinen Zweifel«, murmelte Flora vor sich hin. Sie und in ein Café gehen? Flanieren? Wie stellte sich Konstantin das vor? Beides kam einem SpieÃrutenlauf gleich.
Lustlos ging sie in die Küche, um der Köchin wenigstens noch eine Tasse Kaffee oder Tee abzuschwatzen.
57 . K APITEL
S olche Arbeiten ziemen sich für eine Dame nicht! Mit zitternden Händen wischte sich Ernestine den Schweià von der Stirn. Hatte es wirklich einmal eine Zeit gegeben, in der sie das für wahr gehalten hatte? Was für eine Dummheit! Ziemte es sich etwa nicht, wenn man seine Sachen in Ordnung hielt? Wenn man sich kümmerte? Was blieb ihr denn anderes übrig? Wo Friedrich es vorzog, endlos seine Wunden zu lecken. Mindestens drei Mal hatte sie ihn gebeten, den Komposthaufen umzusetzen, und was war bisher geschehen? Gar nichts. Natürlich tat ihr der Bub leid, aber allmählich spürte sie noch ein anderes Gefühl in sich heranwachsen. War es Ãrger? Enttäuschung? Wut? Ernestine wusste es nicht.
Wut auf ihren guten Buben, das konnte eigentlich nicht sein. Wo er doch litt wie ein Hund! Aber Himmel noch mal, was sollte sie denn noch tun, um sein Elend zu lindern? Sie lieà Sabine seine Lieblingsspeisen kochen, legte ihm die Zeitung aufgeschlagen hin, kaum dass er von der Arbeit kam, bemühte sich um einen fröhlichen Klang in der Stimme, wenn sie von ihrem Tag mit Alexander erzählte. Nicht, dass Friedrich ihre Bemühungen auch nur im Geringsten zu schätzen wusste!
Ernestines Blick huschte hoch zum ersten Stock des Hauses. Die Klappläden seines Fensters waren zu â wahrscheinlich lag er noch im Bett und schlief seinen Rausch aus. Wie so häufig. Ernestine wunderte es nur, dass sein spätes Erscheinen in der Trinkhalle Morgen für Morgen nicht längst böse Konsequenzen hatte. Ach du Schreck, wenn der Bub auch noch seine Arbeit verlöre, was dann?
Obwohl ihre Arme von der ungewohnten Arbeit längst schmerzten, machte Ernestine weiter. So früh am Morgen waren die Nachbarn ebenfalls beschäftigt, daher würde wohl kaum einer mitbekommen, dass sie wie eine gewöhnliche Bauernmagd im Garten ackerte.
Und wenn schon! Ernestines Schnaufer erhob sich als kleines weiÃes Wölkchen in die Luft. Eigentlich waren ihr die Nachbarn ziemlich gleichgültig.
Gar nicht gleichgültig hingegen war ihr Sabines Beobachtung: Die Magd glaubte nämlich, eine Ratte am Komposthaufen gesehen zu haben, weswegen sie sich weigerte, diese Arbeit hier selbst zu tun.
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