Das Blumenorakel
Heilwasser und chemisches Zeugs und so. Sag, findest du das nicht seltsam?«
»Sabine, du bist wirklich unmöglich! Glaubst du allen Ernstes, die englische Lady hat ein Auge auf Friedrich geworfen? Nein, du bildest dir mal wieder etwas ein.«
»Was soll das heiÃen? Hatte ich in der Vergangenheit nicht fast immer recht?«
Flora zuckte mit den Schultern. »Und selbst wenn es so wäre â Friedrich hätte jedes Recht der Welt, sich eine neue, bessere Frau zu suchen. Ich muss froh und dankbar sein, dass er nicht längst die Scheidung anstrebt oder mich gar ins Gefängnis hat werfen lassen. Er ist ein guter Mann. Vielleicht findet er eine Frau, dieihn so glücklich macht, wie er es verdient hat. Ich war dafür wohl nicht geeignet.« So leichtfertig sie diese Sätze auch dahinredete, so schwer war ihr dabei ums Herz.
Auch wenn sie sich noch so mühte, den Gedanken an Friedrich und ihr gemeinsames Leben in der StephanienstraÃe nicht zuzulassen, so wallte er doch immer wieder wie überkochende Milch in ihr auf. Friedrich fehlte ihr.
Sein ernster Blick, wenn sie ihre verrückten Ideen für den Laden kundtat. Sein skeptisches Nachfragen. Sein Gebrummel darüber, dass sie nie mit etwas zufrieden sei, immer zu viel wolle. Doch letztendlich hatte er sie immer unterstützt, er hatte ihr vertraut und darauf, dass sie schon alles richten würde.
Und was hatte sie getan? Sie hatte das Leben der gesamten Familie Sonnenschein zugrunde gerichtet. Ach Friedrich, verzeih mir, ich war so dumm â¦
Einen langen Moment schwiegen die beiden Frauen, während Alexander plappernd auf Floras Schoà krabbelte.
»Diese Engländerin â mit ihr kann sich dein Friedrich vielleicht gut über Heilwasser unterhalten«, sagte Sabine gedehnt, »aber glücklich sieht er dabei trotzdem nicht aus.«
Konstantin hatte schon gefrühstückt, als Flora zurück ins Hotel kam. Er saà am Toilettentisch und band seine Haare zu einem strammen Zopf.
Wie gut er aussieht!, durchfuhr es Flora. Ihr Blick fiel auf das Tablett mit den leer gegessenen Tellern und Schalen, das noch auf dem kleinen Tisch am Fenster stand. Es roch nach Kaviar und Zwiebelringen.
»Hast du wieder etwas aus dem Feinkostladen kommen lassen? Kaviar am Morgen, das ist doch kein ordentliches Frühstück!« Floras Magen knurrte laut. Eigentlich hatte sie angenommen, sie würden zusammen frühstücken.
»Wer bestimmt, was ein ordentliches Frühstück ist? Du, meine Liebe?«, nuschelte Konstantin, während er sich vor dem Spiegel Härchen aus den Nasenlöchern zupfte.
Flora trat von hinten an ihn heran und kitzelte ihn mit dem wiesenfeuchten Glockenblumenstrauà an der Nase, sodass er seine Aufgabe unterbrechen musste.
»Wäre heute nicht ein guter Tag, um wieder mit dem Malen zu beginnen? Das erste Motiv hättest du schon. Und wenn du möchtest, stehe ich dir sogar Modell. Vielleicht nackt, nur mit den Blumen in der Hand?« Allein bei dem Gedanken spürte sie eine leichte Röte in ihr Gesicht schieÃen.
Unwirsch schob er ihre Hand mit dem Strauà weg. »WeiÃt du eigentlich, wie spät es letzte Nacht bei mir geworden ist?«
»Es hat dich sicher niemand gezwungen, bis nach Mitternacht am Kartentisch sitzen zu bleiben«, erwiderte sie spitz und setzte sich aufs Bett. Sie pflückte Blumen und Konstantin malte sie â so hatte sie sich das Leben mit ihm erträumt.
»Fürs Malen muss man in der richtigen Stimmung sein. Dass du mich ständig drängst, ist der Sache gewiss nicht förderlich«, entgegnete er und polierte seine Manschettenknöpfe. »AuÃerdem schätze ich es nicht, wenn du meine Sachen durchwühlst.« Er wies mit dem Kinn in Richtung des Koffers, in dem er seine Malutensilien aufbewahrte. Vor lauter Langeweile hatte Flora ihn am Vorabend durchforstet: Die Kästchen mit den Aquarellfarben waren völlig eingetrocknet, die Pinsel verklebt. Am liebsten hätte sie alles saubergemacht, aber wie und wo? In der Waschschüssel auf der Kommode?
»Ich wollte mir doch nur einmal die Farben ansehen â¦Â«
Einen Moment lang hatte es ihr regelrecht in den Händen gekribbelt und fast hätte sie selbst einen Bogen Papier herausgeholt. Endlich wieder einmal etwas mit den eigenen Händen erschaffen! Rot zu Weià setzen, Blautöne mischen und sich an dem freuen, was dabei herauskam.
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