Das Blumenorakel
gesehen habe. Wie die hier. Eigentlich wollte ich ja Margeriten pflücken, aber die habe ich dann ganz vergessen â¦Â«
Kuno Sonnenschein lächelte. »Ja, ja, die Lichtenthaler Allee ist wie ein riesiger botanischer Garten. In den letzten zwanzig Jahren wurden dort im Auftrag von Monsieur Benazét â das war der Pächter der Spielbank â für viel Geld Hunderte von exotischen Bäumen, Sträuchern und Pflanzen aus aller Welt angepflanzt. Ãbrigens sicher nicht zu dem Zwecke, dass du daherkommst und alles abschneidest. Hoffen wir, dass dich niemand dabei gesehen hat, sonst kriegen wir womöglich noch Ãrger â¦Â«
Flora wurde ganz anders zumute. Kuckucksspucke â jetzt war sie schon wieder in ein Fettnäpfchen getreten, dabei hatte sie es doch nur gut gemeint!
Kuno platzierte Floras Ausbeute derweil in einem Wassereimer. »Na ja, das konntest du ja nicht wissen. Ich würde mich jedenfalls freuen, wenn du zukünftig öfter mal Blumen pflücken gehst, allerdings nur ganz gewöhnliche, bitte. WeiÃt du, früher bin ich selbst gern durch die Wiesen gestreift. Das Problem war nur: Während ich durch die Wiesen und Auen wanderte, blieb der Laden zu. Und die Kundschaft war nicht gerade erbaut, vor verschlossener Tür zu stehen â¦Â«
»Aber â« Solche Spaziergänge konnte man doch frühmorgens unternehmen! Oder die Frau des Hauses hätte den Laden hüten können, lag es Flora auf der Zunge zu sagen, doch sie schluckte ihre Bemerkung hinunter. Nur nicht schon wieder jemandem zu nahe treten!
Stattdessen legte sie den Beutel mit Blumensamen auf die Theke. »Mein Vater meinte, falls Sie nicht alle Ihre Blumen vom Gärtner Flumm beziehen, sondern einen Teil davon selbst ziehen, kämen die Sämereien gewiss recht.«
Kunos Antwort ging in einer Art Hustenanfall unter.
Du meine Güte â der Mann war wirklich nicht wohlauf, dachte Flora. Besorgt schaute sie zu, wie sich Kuno auf denSchemel sinken lieÃ, um im Sitzen das Samenpaket in Augenschein zu nehmen.
»Zinnien, Lobelien, Mohnblumen â was für eine Auswahl! Dein Vater ist ein groÃzügiger Mann, ich werde ihm sofort einen Dankesbrief schreiben.« Sinnend schaute er aus dem Fenster. »Vielleicht sollte ich wirklich noch einen Versuch mit eigenen Beeten wagen ⦠WeiÃt du, bis vorletztes Jahr hatte ich ganze Beetreihen voller Blumen hinten im Garten â für einen Stadtgarten ist er ja ziemlich groÃ. Herrlich anzusehen war das und viel günstiger, als sich alles liefern zu lassen. Doch letztes Jahr streckte mich dann eine Erkältung ausgerechnet zu der Zeit nieder, als ich meine Setzlinge hätte pikieren und ins Freie setzen müssen â ärgerlich war das! Inzwischen sind die Beete längst überwuchert â¦Â« Er zuckte mit den Schultern. »Na ja, der gute Herr Flumm will schlieÃlich auch was verdienen. Er kommt übrigens ⦠immer ⦠mon⦠montags.« Seine letzten Worte wurden von einem Keuchen verschluckt. Schon zückte er erneut sein Taschentuch und spuckte hinein.
Floras Blick wanderte abermals über die Blumeneimer. Die Ware war gestern erst geliefert worden? Dafür sahen die Blumen schon ziemlich mitgenommen aus.
»Himmel noch mal, heute liegt irgendetwas in der Luft ⦠Aber nun istâs genug!« Resolut steckte Kuno sein Taschentuch weg. »Vielleicht hättest du ja Lust, mir beim Anlegen eines Blumenbeetes zu helfen? Dabei könntest du gewiss auch einiges lernen.«
Im Geist zog Flora eine Grimasse. Eigentlich war sie ja nicht hierhergekommen, um erneut in der Erde zu wühlen! »Und was ist mit meinen Lehrstunden hier im Laden?«, fragte sie zaghaft.
»Deine Lehrstunden, ja ⦠Meiner Ansicht nach ist es am besten, wenn du mir einfach über die Schulter schaust!«
Diesmal nickte Flora eifrig.
»Bevor du beginnst, legst du dir alles, was du für deine Arbeit benötigst, zurecht: die Blumen, das Stopfgrün, verschiedeneScheren, den Bindebast. Wenn du deinen Strauà erst einmal begonnen hast, wäre es sehr ärgerlich, ihn wieder aus der Hand legen zu müssen, nur weil du die Schere nicht findest. Oder weil der Bindedraht noch in der Schublade liegt.« Noch während Kuno Sonnenschein sprach, fing er an, Blumen aneinanderzulegen.
»Ein Strauà soll von allen Seiten her hübsch
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