Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Blumenorakel

Das Blumenorakel

Titel: Das Blumenorakel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
Vom Netzwerk:
anzusehen sein. Ganz wichtig ist außerdem, dass alles dicht gebunden ist. Deshalb nehmen wir lieber ein bisschen mehr Grün als zu wenig. Du beginnst mit einer Blüte in der Mitte, siehst du, so! Und dann arbeitest du rings um sie herum. Natürlich musst du dir zuvor überlegen, wie du die Blumen anordnen willst, also …«
    Gebannt schaute Flora zu, wie aus einer Handvoll Material ein perfekt gebundener Blumenstrauß entstand. Das war doch etwas anderes als ihre spontan gepflückten Sträuße!
    Â»Für welchen Kunden ist dieser Strauß denn bestimmt?«
    Â»Nun, man könnte ihn jemandem zum Geburtstag schenken, er könnte aber auch die Tafel eines feinen Mahls zieren. Er wäre für eine junge Frau ebenso passend wie für eine reifere Dame. Natürlich gibt es spezielle Anlässe, bei denen ein kugelig gebundener Strauß nicht geeignet ist. Wenn …« Kuno runzelte die Stirn, als habe er Mühe, ein geeignetes Beispiel zu ersinnen. »Wenn ein Herr beispielsweise einer Schauspielerin am Theater Blumen schenken möchte. Nach der Vorstellung, verstehst du? Die Dame wird sich nicht hinter einer Blumenkugel verstecken wollen, sie will sich vielmehr mit den Blumen schmücken! Deshalb würde ich in diesem Fall einen Legestrauß binden. Also einen Strauß, der über dem Arm getragen werden kann.« Er schnappte sich ein neues Büschel Nelken und begann, diese schräg gestaffelt aufeinanderzulegen. Die danach unterschiedlich langen Stielenden schnitt er ab, dann legte er Flora den Strauß in die Armbeuge.
    Flora versuchte, im Fenster ihr Spiegelbild zu erhaschen. »Es ist unglaublich – die Nelken wirken so völlig anders!«
    Kuno nickte anerkennend. »Das ist ja die Kunst. Du musst dir die Blumen anschauen und erkennen, was mit ihnen machbar ist und was nicht. Bei Nelken gibt es mehrere Möglichkeiten, aber langstielige Blumen wie zum Beispiel Rosen oder Lilien kannst du nicht kugelig rund binden, es sei denn, du nimmst dreißig oder vierzig Blumen dafür. Aber wer sollte das bezahlen?« Kuno trat einen Schritt vor die Theke und zeigte auf die Blumeneimer. »Im Grunde genommen sind Blumen für uns das, was ein Stoff für eine Schneiderin ist. Die würde auch nicht auf den Gedanken kommen, aus einem schweren Samtstoff ein Kopftuch zu nähen, nicht wahr? Dafür würde sie einen leichten Leinenstoff nehmen.«
    Flora strahlte ihren Lehrmeister an. Danke, liebe Eltern, dass ihr mich habt gehen lassen!
    Doch ihr Strahlen machte sehr schnell einem entsetzten Gesichtsausdruck Platz, als sie sah, wie Kuno den Bindfaden rund um seinen Strauß löste. Sofort fielen die einzelnen Blüten auf die Werkbank und einer Nelke knickte dabei der Kopf ab. Warum zerstörte er den schönen Strauß wieder?
    Kuno zeigte auf das wilde Durcheinander auf der Werkbank.
    Â»Jetzt bist du dran. Wir wollen schließlich, dass deine künftigen Reutlinger Lehrherren mit dir zufrieden sind!«

11 . K APITEL
    B ereits um zehn Uhr war die Lehrstunde vorüber – und Kuno am Ende seiner Kräfte. Nachdem Floras Blumenstrauß dem seinen recht nahe gekommen war, worüber er sich ziemlich wunderte, schlug er seine Zeitung auf und riet Flora, sich einen Überblick darüber zu verschaffen, wo sich was im Laden befand.
    Flora hatte die erste Schublade noch nicht geöffnet, als Kuno von einem heftigen Hustenanfall geschüttelt wurde.
    Â»Ein Glas Wasser, dann gehts wieder!«, röchelte er, während sein Gesicht feuerrot anlief.
    Hilflos hielt ihm Flora das gewünschte Glas Wasser entgegen. Doch Kuno klammerte sich nur an der Theke fest, sodass die Knöchel seiner Hände weiß hervorstachen.
    Â»Herr Sonnenschein? Was ist denn?« Hektisch riss Flora die Tür auf und fächerte ihm mit seiner Zeitung Luft zu, aber Kunos Zustand schien sich eher zu verschlechtern.
    Flora packte ihn mit beiden Händen unter den Achseln und zog ihn auf einen Stuhl.
    Â»Bin gleich wieder da!«, rief sie und rannte los.
    Frau Sonnenschein! Oder Sabine – die würden wissen, was zu tun war! Oder sollte man gleich einen Arzt holen?
    Im Hausflur entdeckte sie auf dem Treppenabsatz einen Schatten.
    Â»Frau Sonnenschein, Ihr Mann! Er … kriegt keine Luft mehr –« Vor lauter Aufregung musste Flora selbst husten.
    Angelockt von Floras Geschrei streckte nun auch Sabine ihren Kopf durch die

Weitere Kostenlose Bücher