Das Blumenorakel
Maler sogar dafür? Aber als wir wieder allein waren, hat Herr Sonnenschein mich deswegen ziemlich ausgeschimpft. Es gäbe nichts Missverständlicheres als die Blumensprache, sagte er. Der eine deute eine Blume so, der andere wieder völlig anders. Und dass man sich dadurch viel Ãrger einhandeln könne.«
»Und? Ist das so?«, fragte Sabine, während sie ihre neue Frisur vorsichtig betastete. Flora befestigte zum Schluss noch eine Blüte darin.
Dann zuckte sie mit den Schultern. »Keine Ahnung, ich habe bisher gedacht, mein Büchlein wäre das einzige seiner Art. Aber der gnädige Herr meinte, es gäbe viele verschiedene! Und dass ich das mit der Blumensprache zukünftig unterlassen solle â¦Â«
»Ist doch nicht so schlimm. Freu dich lieber, dass dein StrauÃjetzt auf einem Ãlgemälde verewigt wird«, versuchte Sabine sie zu trösten. »Wie sehe ich aus?«
»Viel zu schön!«, sagte Flora lächelnd. »Die Burschen werden dir auf der StraÃe hinterherpfeifen.«
Sabine schaute ihre Gefährtin listig an. »Dein Friedrich hat da wohl ein feineres Benehmen, was? So wie der um dich herumscharwenzelt, sieht er in dir bestimmt schon die zukünftige Frau Sonnenschein.«
»So ein Blödsinn! Friedrich will mir nachher einfach nur die Stadt zeigen. Wahrscheinlich fühlt er sich dazu verpflichtet, wo er mich doch hergeholt hat â¦Â« Skeptisch betrachtete Flora ihre Strickjacke â besonders hübsch sah sie nicht mehr aus mit den abgewetzten Ãrmeln und dem gestopften Loch am Revers. Andererseits â zum Spazierengehen war sie noch gut genug.
»Und deshalb guckt er dich auch immer gar so schwärmerisch an, nicht wahr?« Sabine grinste. »Los, sag â hat er schon versucht, dich zu küssen?«
»Bist du verrückt?« Angesichts Sabines ungläubigen Gesichtsausdrucks musste Flora lachen. »Also wirklich, du hörst dich an wie Suse in ihrem letzten Brief. Sie glaubt, Friedrich sei überhaupt der Grund dafür, dass ich nach Baden-Baden gegangen bin.«
»Aber sein Verhalten ist wirklich nicht normal! Wenn man bedenkt â er hat einen wichtigen Posten in der Trinkhalle, und trotzdem hilft er dir im Garten und ruiniert sogar seine Hose dabei. Die ich dann stopfen darf ⦠Mir hat er in all der Zeit noch nie beim Rübenschälen geholfen! Und die Stadt wollte er mir auch nicht zeigen. Ich sage dir, wenn der nicht in dich verliebt ist, fresse ich einen Besen.«
»Gegen deine blühende Fantasie ist das Blumenbeet im Garten eine ausgedörrte Wüste. Friedrich ist ein prima Kamerad, mehr nicht«, entgegnete Flora. Da Sabine skeptisch dreinsah, war sie schon auf eine weitere Bemerkung gefasst, doch die Magd seufzte nur auf.
»Du hast ja recht â was weià ich schon von den Männern.Nicht einmal, ob der Moritz mich wirklich liebt, weià ich. Er behauptet es zwar immer wieder, aber â¦Â« Sabine zuckte mit den Schultern und wirkte auf einmal sehr verloren.
Flora legte einen Arm um sie. Sie konnte der Zimmergenossin nie lange böse sein. »Befragen wir doch das Blumenorakel!« Ohne eine Antwort abzuwarten, zog Flora eine Margerite aus der kleinen Blumenvase, die auf dem Fensterbrett stand.
»Er liebt dich, er liebt dich nicht, er liebt dich, er â¦Â«
Gebannt schaute Sabine zu, wie Flora ein Blütenblatt nach dem anderen auszupfte. Das Orakel würde kein gutes Ende nehmen, stellte Flora mit geübtem Blick fest, als nur noch wenige Blättchen übrig waren.
»Er liebt dich, er liebt dich nicht, er â¦Â« Wieder einmal zupfte sie unauffällig zwei Blätter auf einmal ab. Nun würde es aufgehen. »Er liebt dich!« Triumphierend schaute Flora die Zimmerkameradin an. »Jetzt kannst du beruhigt sein â auf das Blumenorakel ist immer Verlass!«
Sabine atmete erleichtert auf.
»Wenn Ihr Stadtführer bitten darf â¦Â« Mit einer kleinen Verbeugung reichte Friedrich Flora seinen Arm, kaum dass sie um die erste StraÃenecke gebogen waren. Als sie sich tatsächlich mit leichter Hand bei ihm einhängte, verspürte er ein leises Zittern.
»Verehrter Herr Stadtführer â dürfte ich vielleicht eine Bitte äuÃern? Ich würde so gern einmal das Pferdebad aufsuchen! Jetzt bin ich schon ein paarmal an dem Gebäude vorbeigelaufen und habe immer noch keine
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