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Das Blumenorakel

Das Blumenorakel

Titel: Das Blumenorakel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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erst die Rechnungen für die zahllosen Gastgeschenke!
    War man beim Fürsten Menschikow eingeladen, konnte mannicht nur mit einer Bonbonniere erscheinen, das Gastgeschenk musste schon standesgemäß sein. Das Gleiche galt für Einladungen bei Matriona Schikanowa, der lieben Anna oder den Gagarins – Fürstin Isabella schätzte teures französisches Porzellan als Gastgeschenk, auch wenn die Schränke ihrer Stadtvilla davon schon überquollen.
    Einladungen bedeuteten zudem Gegeneinladungen.
    Irina hatte es sich schon vor Jahren angewöhnt, gleich zu Beginn der Saison selbst als Gastgeberin aufzutreten – schließlich wollte sie nicht in den Ruf einer Schmarotzerin kommen, die gern auf fremde Kosten feiert, aber selbst nicht einlädt. Ihr diesjähriges Sommerfest hatte sie sogar in besonders großem Stil auf den Terrassen des Stéphanie gefeiert – Konstantin hatte sie überredet, eine Kapelle zu engagieren, die Rechnung stand ebenfalls bis heute noch offen.
    Andererseits … Irina kratzte mit dem Fingernagel ein Wellenmuster in die beschlagene Fensterscheibe. Schlimmer noch wäre, keine Einladungen mehr zu bekommen. Ausgestoßen zu sein aus dem feinen Zirkel der russischen Aristokratie. Ein Niemand. Jemand, den man übersah, wenn er einem auf der Straße begegnete.
    Sie und ihr charmanter jugendlicher Begleiter hingegen waren überall gern gesehen. Alle mochten Konstantin, alle liebten sein Lachen, seine verrückten Ideen, seine gute Laune …
    Irina runzelte irritiert die Stirn, als sie eine Rechnung für ihre Suite erspähte. Hatte sie mit dem Hotelier nicht vereinbart, am Ende der Saison die komplette Zahlung zu leisten? Abschlagszahlungen – was war denn das für eine neue Mode?
    Â» Durák! « Was für ein Dummkopf!
    Man munkelte, es stünde nicht gut um das Hotel Stéphanie, scheinbar wurde hektisch nach einem Käufer gesucht, der das in die Jahre gekommene Haus übernehmen und modernisieren würde. Irina konnte nur hoffen, dass an derlei Gerüchten nichts dran war. Noch war das Hotel bezahlbar. Zugegeben, bei näherer Betrachtung musste man feststellen, dass an dereinen oder anderen Stelle der Fensterkitt bröselte und sich an Regentagen das Wasser auf der Fensterbank sammelte. Dass die Türen verzogen waren, sich nur mit Mühe schließen ließen. Kein Wunder, dass einem die Kälte bis in den letzten Knochen kroch! Die Farben der einst opulent wirkenden Teppiche waren nach all den Jahren verblasst. Von den Tapeten, die sich an den feuchten Stellen der Wände gelöst hatten, wollte Irina erst gar nicht reden. Oder vom Wasser, das fast immer nur kalt aus den Hähnen kam, dabei rühmte sich der Hotelier als Anhänger der sogenannten Badekuren – was für ein Witz!
    Irinas Hand fuhr durch die Luft, als wolle sie ein lästiges Insekt vertreiben. Wen kümmerten solche Nichtigkeiten, schließlich waren sie lediglich zum Schlafen hier und manchmal nicht einmal das. Warum sollte sie also horrende Hotelkosten zahlen?
    Ja, sie dachte über jede Ausgabe gründlich nach. Aber war das denn ein Wunder, bei dieser ständigen Angst in ihrem Nacken …
    Wie Püppi und die anderen so sorglos in den Tag hinein leben konnten, war Irina schleierhaft. Ständig hörte man doch von russischen Bauern, die ihren Herren die Scheunen anzündeten, davonliefen oder Vieh stahlen. Deren Ungezogenheiten noch geschürt wurden von politischen Scharfmachern – Dummköpfen, die sich auf irgendwelchen Universitäten albernes Zeug ausdachten, um die einfachen Leute vom Arbeiten abzuhalten.
    Â»Aber dafür haben wir doch unsere Aufpasser«, hatte Püppi verständnislos gesagt, als Irina es einmal wagte, ihren Ängsten Gehör zu verleihen. »Männer, die dafür bezahlt werden, die Knute hervorzuholen, wenn es nötig ist.«
    Irina lachte bitter auf. Und wenn diese Aufpasser ebenfalls auf dumme Gedanken kamen?
    Zum Glück hatte sie sich nicht dazu breitschlagen lassen, das Haus oben am Berg zu kaufen – in ihrer derzeitigen Gemütslage hätte sie es lediglich als weiteren Sorgenquell betrachtet.
    Konstantin hatte das Haus gefallen, und dass er sich nach einem »Nest« für sie beide sehnte, fand sie rührend.
    Sie schaute in Richtung Schlafzimmer und zum ersten Mal an diesem Morgen wurde ihr Blick weicher.
    Lieber, süßer

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