Das Blumenorakel
war, machten sich die meisten Samenhändler auf die monatelange Reise zu ihren Kunden in der ganzen Welt. Schon Tage vorher kündigte eine hektische Betriebsamkeit die nahende Abreise an. Die Kinder begannen öfter als sonst zu weinen und klammerten sich andie Rockzipfel ihrer Mütter, wohl wissend, dass sie bald zur GroÃmutter oder einer entfernten Tante geschickt wurden. Aber kein Jammern und Weinen nutzte, der Tag des Abschieds kam alljährlich, danach war das belebte Dorf wochenlang wie ausgestorben.
Wenn Flora nach Hause kam, würden der Vater und Onkel Valentin schon weg sein. Hoffentlich hatte Vater ihren Brief noch erhalten, in dem sie ihm eine gute Handelsreise gewünscht hatte.
Am Bahnhof herrschte ein groÃes Durcheinander. Kurgäste, deren Bedienstete und Berge von Gepäck verstopften die Wege. Sabine und Flora wurden immer wieder in die Seite geboxt oder weggeschoben, was Sabine zu groben Flüchen veranlasste. Krampfhaft hielt Flora ihren Koffer und ihre Tasche fest, damit ihr nur ja niemand im Getümmel das Gepäck entreiÃen konnte.
Während sie und Sabine sich ein wenig abseits stellten, um auf Floras Zug zu warten, entdeckte Flora aus dem Augenwinkel heraus die groÃgewachsene Figur von Lady Lucretia, die allein inmitten eines Berges von Gepäck thronte. Auch die Engländerin wirkte ziemlich traurig â¦
»Die halbe Stadt scheint sich auf den Weg zu machen, Baden-Baden wird wie ausgestorben sein.« Flora wies mit dem Kinn in Richtung der abreisenden Kurgäste. »Ich hasse Abschiede!«, stieà sie dann aus tiefster Seele hervor. »Schon immer, schon als Kind, schon â« Bevor sie etwas dagegen tun konnte, schlug sie beide Hände vors Gesicht und schluchzte los.
Flora hatte noch immer ihr Gesicht in den Händen vergraben, als sie plötzlich tröstende Arme um sich spürte. Die Wärme tat gut, Floras Schluchzer wurden leiser. Wenigstens Sabine fühlte mit ihr â¦
»Flora ⦠Es darf keinen Abschied geben! Sie ⦠Sie können nicht gehen!«, ertönte eine Männerstimme direkt neben ihrem Ohr.
Erst da merkte Flora, dass die tröstenden Arme gar nicht Sabine gehörten.
23 . K APITEL
U nd? Was ist da drinnen los?«, flüsterte Ernestine Sabine ins Ohr.
Die Magd zuckte mit den Schultern. »Sie sitzen sich gegenüber, ich glaube, der gnädige Herr, also, Ihr Sohn ⦠er ⦠hält Floras Hand.« Sie blinzelte durch das Schlüsselloch in die gute Stube, was nicht ganz einfach war angesichts der Tatsache, dass Ernestine ihr von hinten auf dem Buckel lag.
Natürlich hatte Flora Friedrich während der Heimfahrt in der Droschke keine Ruhe gelassen. Was los sei, wollte sie wissen. Warum sollte sie nicht heimfahren? War etwas mit Kuno? War irgendein Unglück geschehen?
Richtig zornig war sie geworden, als Friedrich nichts Erhellendes gesagt hatte, sogar beschimpft hatte sie ihn, weil sie wegen ihm nun den Zug verpassen würde.
Doch all das war an Friedrich abgeperlt wie Wasser am Gefieder einer Ente. »Später!«, hatte er die ganze Fahrt über wiederholt. »Wir reden später!« Und gelacht hatte er dabei.
»Er hält ihre Hand? Aber ⦠das kann doch nur bedeuten â er traut sich also doch ⦠Und das in der sprichwörtlich letzten Minute â Himmel hilf! Besser spät als nie, nicht wahr? Der gute Bub â¦Â«
»Jetzt kniet er vor ihr, wie romantisch â¦Â« Sabine war entzückt. Wenn sie das Minka erzählte! Da hatte sie also von Anfang an recht gehabt mit ihrer Vermutung, dass Friedrich Gefallen an Flora fand.
»Er kniet? Mon Dieu !« Vor lauter Aufregung verfiel Ernestine ins Französische, was eigentlich gar nicht ihre Art war. »Dass esder Bub so spannend machen musste â also von mir hat er das nicht!«
Sabine warf ihrer Hausherrin einen schrägen Blick zu. Dass Ernestine Sonnenschein derart erpicht auf eine Schwiegertochter war, hätte sie nicht gedacht. Aber scheinbar war die gnädige Frau tatsächlich bereit, den »guten Buben« mit einer anderen zu teilen.
Sabines Gedankengänge wurden beim nächsten Blick durchs Schlüsselloch jäh unterbrochen. »Oje! Flora schüttelt den Kopf â er hat wohl etwas gesagt, womit sie nicht einverstanden ist â¦Â«
»Nicht einverstanden? Jede Frau würde sich glücklich schätzen,
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