Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Blumenorakel

Das Blumenorakel

Titel: Das Blumenorakel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
Vom Netzwerk:
allen ignoriert werden!«
    Flora genoss die verwirrten Mienen, dann drehte sie sich abermals auf dem Absatz um und lief triumphierend und strahlend davon.
    Denen hatte sie es aber gegeben! Bestimmt würden die Mädchen noch lange darüber grübeln, was sich wohl hinter den »großartigen Dingen« und Ȇberraschungen, wie Baden-Baden sie bisher nicht gesehen hat« verbergen mochte. Doch Floras Hochstimmung verflog so rasch, wie sie gekommen war, und zurück blieb ein bitterer Nachgeschmack: Von wegen »grandiose Neuheiten« – die einzige Neuheit würde darin bestehen, dass sie ab Montag nicht mehr hier war …

    Da der erste Oktober auf einen Sonntag fiel, war Floras Abreise für den zweiten Oktober geplant.
    Am Samstagabend zog sie ein letztes Mal mit Sabine durch das inzwischen liebgewonnene Viertel, besuchte den Schlachter Semmel, der ihr zum Abschied ein paar Würste schenkte, sagte der Hennenwirtin auf Wiedersehen und ebenso vielen anderen Bekannten. Selbst die sonst so forsche Sabine war in gedrückter Stimmung und Flora war froh, als sie wieder zu Hause eintrafen.
    Den Sonntag verbrachte sie mit Packen und damit, das abgeerntete Blumenbeet im Garten umzugraben. Obwohl sie immer wieder nach Friedrich Ausschau hielt, ließ er sich den ganzen Nachmittag über nicht blicken. Wahrscheinlich hat er Dienst in der Trinkhalle, dachte Flora bei sich und konnte nichts gegen das Gefühl von Enttäuschung tun, das sich wie ein schwerer Mantel über ihre Schultern legte.
    Am Abend schließlich wurde ihr zu Ehren eine Flasche Wein geöffnet und die ganze Familie stieß auf ihr Wohl an. Ernestine vergoss ein paar Tränen ob des bevorstehenden Abschieds. Auch Kuno musste heftig schlucken und schien sehr bewegt, nur Friedrich saß mit versteinerter Miene da. Wenn Flora ehrlich war, musste sie zugeben, dass sie gerade von ihm mehr erwartet hätte: Eine Einladung ins Theater oder sonst irgendeinen erinnerungswürdigen Moment hätte er sich doch ausdenken können! Immerhin waren sie in den letzten Monaten gute Freunde geworden – zumindest hatte Flora dies angenommen.
    Angesichts der trüben Stimmung war sie fast froh, als es endlich Montagmorgen war.

    Der leichte Nieselregen, der schon das ganze Wochenende über niedergegangen war, hatte sich bis zum Montagmorgen zu einem kräftigen Landregen gemausert.
    Â»Siehst du, auch der Himmel weint, weil du wieder fortgehst. Vielleicht hätten wir doch lieber eine Droschke nehmen sollen, zu Fuß bis zum Bahnhof kommt es einem bei diesem Wetterdoppelt weit vor«, sagte Sabine, während sie mit dem Regenschirm in der Hand neben Flora herstapfte.
    Â»Ich will aber lieber laufen, so sehe ich die Stadt noch einmal. Du kannst ja zurückgehen«, sagte Flora und wechselte ihren Koffer von der linken in die rechte Hand.
    Â»Blödsinn!«, erwiderte die Magd. »Wenn sich schon keiner von den anderen bequemt, dich zu begleiten – ich lass dich nicht im Stich! Ach Flora, du wirst mir fehlen. Auch wenn deine hektische Art ziemlich anstrengend ist.«
    Â»Du wirst mir auch fehlen«, murmelte Flora. »Wie schnell ist das halbe Jahr vergangen! Es war wunderschön bei euch.« Schon bildete sich wieder ein dicker Kloß in ihrem Hals.
    Sabine duckte sich, um mit ihrem Schirm unter besonders tief hängenden Ästen hindurchzukommen. »Eigentlich hätte ich ja erwartet, dass der junge Herr – dass er …«
    Â»Das hast du nun von all deinen wilden Spekulationen. So viel zum Thema, Friedrich sei verliebt in mich …« Flora war bitter enttäuscht. Dafür, dass Kuno den Laden nicht zumachen wollte, um sie zum Bahnhof zu bringen, hatte sie großes Verständnis. Auch dafür, dass eine Abschiedsszene am Bahnhof für Ernestine zu aufregend gewesen wäre. Aber dass Friedrich es nicht für nötig hielt, sie zum Bahnhof zu begleiten und sich ordentlich von ihr zu verabschieden – Kuckucksspucke, das hätte sie nicht von ihm gedacht.
    Eine Zeit lang gingen die jungen Frauen schweigend weiter.
    Wie leergefegt die Straßen heute waren! Keines der Geschäfte an der Promenade hatte geöffnet, vor den Cafés standen keine Tische, alles wirkte regelrecht einsam.
    Flora schauderte. Die Stimmung erinnerte sie sehr an ihr Heimatdorf: Im September, spätestens im Oktober, wenn die Arbeit auf den heimischen Feldern verrichtet worden

Weitere Kostenlose Bücher