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Das Blumenorakel

Das Blumenorakel

Titel: Das Blumenorakel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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Natürlich würde es kein richtiges Buch werden, sondern nur ein kleines Heftchen. Aber mit Seraphines Zeichnungen wird das bestimmt sehr hübsch! Und die Kosten sind auch kein Problem – Onkel Valentin will für den Druck bezahlen. Er meinte, wir sollten gleich einen Stapel Heftchen mehr drucken lassen, im Samenhandel wären sie bestimmt ebenfalls eine gute Verkaufshilfe. Friedrich, stell dir das vor – endlich hätte ich den Kurgästen etwas Besonderes anzubieten!«
    Mit einem lauten Klirren legte Friedrich seinen Suppenlöffel weg. »Du scheinst dir ja bereits alles sehr gut ausgedacht zu haben. Hättest du nicht zuerst einmal mit mir über deine Pläne sprechen können, bevor du alle möglichen anderen Menschen einweihst? Ob diese Blumensprache wirklich etwas Besonderes ist, wage ich nämlich zu bezweifeln. Und dass du dich ausgerechnet dafür in Schulden stürzen willst, finde ich gar nicht gut.«
    Betreten schaute Flora ihren Mann an. »Schulden? Aber –«
    Â»Genug jetzt!«, sagte Ernestine laut.
    Sowohl Floras Kopf als auch Friedrichs schossen zu ihr herum. Keiner hatte mit einem Einwand von ihr gerechnet.
    Ernestine funkelte ihren Sohn wütend an. »Es ist beschämend, wie wenig du deiner Ehefrau zutraust! Wenn Flora glaubt, dieses Blumenheft sei das Richtige, und wenn ihre Familie sie dabei unterstützt, dann werden wir ihr gewiss keine Steine in den Weg legen. Oder willst am Ende du selbst den Laden übernehmen?« Irritiert schüttelte Friedrich den Kopf. »Davon kann natürlich keine Rede sein, ich meine doch nur –«
    Â»Dann ist es gut«, unterbrach Ernestine ihn, bevor sie sich Flora zuwandte. Ein kleines Lächeln umspielte ihre schmalen Lippen.
    Â»Deine Tante Seraphine ist uns jederzeit willkommen. Wenn es ihr nichts ausmacht, dass es derzeit ein wenig … einfach bei uns zugeht.«
    Â»Aber Mutter! Vater würde nie wollen, dass Flora –«
    Â»Dein Vater ist tot! Wir jedoch müssen sehen, wie es weitergeht«, schnitt Ernestine Friedrich abermals das Wort ab. »Flora, wenn dieses Blumen-ABC bis zum Saisonbeginn fertig sein soll, wirst du dich beeilen müssen. Wer weiß – vielleicht kann ich dir und deiner Tante sogar ein bisschen helfen?«

33 . K APITEL
    W ie in jedem Jahr hatte Fürstin Nadeshda Stropolski, genannt Püppi, auch für die neue Saison eine Balkonsuite des Europäischen Hofes gemietet.
    Sie zog ihren Schal enger um die Schultern und schaute vom Balkon auf die in silbernes Mondlicht getauchte Landschaft. Wie sehr liebte sie den Ausblick, der sich ihr von hier oben bot – sogar zu nachtschlafender Zeit hatte er etwas Bezauberndes. Die riesigen Bäume, die das Ufer der Oos säumten, sahen aus wie Kraken, die nach Menschenopfern hangelten. In kurzer Zeit würde in denselben Bäumen das Konzert der Vögel erklingen. Dann, wenn sich der Morgennebel lichtete und eine blasse Sonne über die Wiesen kroch. Püppi hätte viel dafür gegeben, mit eigenen Augen sehen zu können, wie sich die mondsilberne Landschaft in ein sattes Aquarell verwandelte, als habe ein Maler sämtliche Grüntöne auf einmal verwendet.
    Aber zu dieser Zeit würde sie sich schlafen legen. Wie jeden Tag nach dem Morgengrauen. Denn dann war sie sicher.
    Auf leisen Sohlen ging sie vom Balkon zurück ins Wohnzimmer ihrer Suite. Ihr Blick wanderte in Richtung Schlafzimmer, wo Konstantin selig schlief – er brauchte ja auch keine Angst davor zu haben, des Nachts vom Tode geküsst zu werden. Das war ihre Prophezeiung. Nach Jahren noch hatte sie die Stimme der warzengesichtigen Zigeunerin im Ohr.
    Susa, Püppis Hündin, hatte sich wie jede Nacht neben Kostias Kopf gekuschelt. Bald würden die beiden aufwachen, ausgeruht würden sie die Welt erobern, während sie, alt und müde, sich endlich zur Ruhe betten konnte.
    Ein Schauer lief ihren Rücken hinab. Püppi hatte das Gefühl, der Nebel würde vom Fluss direkt hinauf in ihr Hotelzimmer steigen. Oder war es vielmehr eine innere Kälte, gegen die kein Schal, kein Pelz der Welt etwas auszurichten vermochte?
    Sie nahm einen Schluck Tee und verzog das Gesicht. Schon vor einer Stunde hatte das Zimmermädchen das Tablett gebracht, doch bis jetzt hatte Püppi den herben Duft der Teeblüten ignoriert in der Hoffnung, Konstantin möge aufwachen und ihr bei einer Tasse Tee

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