Das Blut der Azteken
preisgegeben hat, aus deren Schoß er gekrochen ist.
Doch ich freue mich, Euch berichten zu können, dass eine körperliche Untersuchung weitere Hinweise darauf zutage gefördert hat, dass der Mestize mit dem Teufel im Bunde ist. Als man den Mann entkleidete, um ihn in heißem Öl zu baden, stellte Bruder Osorio fest, dass sein Geschlechtsorgan nicht nur von außergewöhnlicher Größe, sondern auch missgestaltet ist - die Vorhaut war auf höchst unappetitliche Weise zurückgestutzt worden.
Obwohl noch keiner von uns je eine derartige Verstümmelung des männlichen Körpers mit eigenen Augen gesehen hatte, haben wir von derartigen Gotteslästerungen gehört, sodass uns klar ist, dass wir es mit einem Zeichen von absoluter Verderbtheit und Verkommenheit zu tun haben.
Auf Vorschlag des guten Bruders baten wir einen Vertreter der Heiligen Inquisition, das Geschlechtsteil des Gefangenen zu untersuchen. Man schickte Bruder Fonséca, einen höchst gelehrten Priester, der schon erfolgreich Protestanten, Juden, Mauren und andere Anhänger des Erzfeindes Mephisto an ihrem körperlichen Erscheinungsbild erkannt hat, zu uns in den Kerker, um weitere Nachforschungen anzustellen.
Bruder Fonsécas Überprüfung, Eure Exzellenz, erbrachte, dass unsere ursprüngliche Einschätzung richtig gewesen war: Bei der Entstellung des Geschlechtsteils handelte es sich tatsächlich um einen Beweis für den Einfluss des Satans. Wir haben es eben mit der Verstümmelung zu tun, die Juden und Mauren ihren Söhnen zufügen. Der gute Bruder vermutet, dass der Penis absichtlich mit einem Messer verletzt wurde, wie es bei den Ungläubigen Sitte ist; der Zustand des Bastards ist ein Kainsmal, das ihn als Teufelsanbeter enttarnt.
Da der Mestize seine Sünden weder bereut noch verrät, wo er den Schatz versteckt hat, empfehle ich, ihn der Heiligen Inquisition Seiner Katholischen Majestät zu überstellen, wo man ihn weiter befragen und zur Reue anhalten soll, bevor man ihn hinrichtet.
Während ich auf weitere Anweisungen Eurer Exzellenz warte, habe ich dem Gefangenen auf seine Bitte hin Papier und Schreibzeug ausgehändigt. Gewiss können sich Eure Exzellenz mein Erstaunen vorstellen, als der Teufel behauptete, des Lesens und Schreibens mächtig zu sein wie ein Spanier. Ich muss zugeben, dass meine Überraschung noch wuchs, als ich ihn einen Satz schreiben ließ und feststellte, dass er tatsächlich Wörter auf dem Papier festgehalten hatte. Selbstverständlich verstößt es gegen die Vorgaben Eurer Exzellenz, einem Halbblut das Lesen und Schreiben beizubringen, da diese Leute doch dafür bestimmt sind, ein Leben als Dienstboten und Knechte zu führen.
Da Ihr jedoch glaubt, er könnte uns unabsichtlich das Versteck des gestohlenen Schatzes verraten, habe ich ihm Schreibzeug gegeben, damit er sein Geschwätz notieren kann.
Wie Ihr befohlen habt, werde ich das Gekritzel dieses Verrückten Eurer Exzellenz zur Prüfung zusenden, ganz gleich wie absurd es auch sein mag.
Der Herr ist mein Zeuge, dass diese Mitteilung an Eure Exzellenz, den Vizekönig von Neuspanien, der Wahrheit entspricht.
Möge Gott, unser Herr, über Eure Exzellenz wachen und Euch schützen, an diesem ersten Tag im Februar im Jahr unseres Herrn eintausendsechshundertvierundzwanzig.
Pedro de Vergara Gargivia
Hauptmann der Wache
2
» Ni thaca! « Wir sind auch Menschen!
Diese Worte eines sterbenden Azteken, der von seinem spanischen Herrn wie ein Tier gebrandmarkt worden war, gellen mir noch in den Ohren, während ich meine Gedanken auf diesem ausgezeichneten Papier festhalte, das mir der Kerkermeister des Vizekönigs zur Verfügung gestellt hat.
Ich bin auch ein Mensch - ich habe diese Worte in meinem Leben ebenfalls schon häufig ausgesprochen.
Nun sitze ich in meiner Zelle; dem Licht einer einsamen flackernden Kerze gelingt es kaum, die Dunkelheit zu durchdringen. Der Hauptmann hat mir die Kleider weggenommen, um dem Ungeziefer den Zugang zu meinem Körper und meinen Wunden zu erleichtern. Ach, was für Folterqualen das menschliche Gehirn doch ersinnen kann.
Kalter, feuchter Stein drückt sich an meine nackte Haut, sodass ich nicht aufhören kann zu zittern. Die beißende Kälte und die Geräusche der anderen Gefangenen erinnern mich ständig daran, dass ich immer noch ein Mensch bin. Es ist zu dunkel, um ihre Gesichter zu sehen, doch ich nehme ihre Angst wahr und spüre ihre Schmerzen. Wenn ich es nicht verdient hätte, in diesem Kerker zu sitzen, würde ich meinen
Weitere Kostenlose Bücher