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Das Blut der Azteken

Das Blut der Azteken

Titel: Das Blut der Azteken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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sondern die Hölle auf Erden.
    Eine Hacienda erinnerte an ein kleines, unabhängiges Königreich. Die Indios, die auf den Feldern arbeiteten, bauten Mais, Bohnen, Kürbisse und andere Lebensmittel an und züchteten Pferde, Rinder, Schafe und Schweine. In den Werkstätten wurde fast alles gefertigt, was die Hacienda benötigte, angefangen bei Hufeisen für die Pferde und Pflügen bis hin zu derben Karren mit hölzernen Rädern, mit denen die Ernte eingebracht wurde. Nur die prächtigen Möbel, das Porzellan und die Wäsche im Haupthaus, wo Don Francisco wohnte, kamen von außerhalb.
    Ich teilte eine Hütte mit meiner Mutter Miaha. Ihr christlicher Name lautete Maria, nach der heiligen Muttergottes. Ihr Aztekenname Miahauxiuitl bedeutete in unserer Sprache >Türkisfarbene Maisblüte< . Außer in Gegenwart des Dorfpriesters wurde sie mit ihrem Náhuatl-Namen angesprochen.
    Obwohl sie meine Mutter war, nannte ich sie Miaha, weil sie das lieber hatte.
    Es war ein offenes Geheimnis, dass Don Francisco das Bett mit Miaha teilte, und alle hielten mich für seinen Sohn. Die Bastarde, die Indianerinnen nach dem Beisammensein mit einem Spanier zur Welt brachten, waren nirgendwo beliebt. Für die Spanier waren sie nicht mehr als Jungvieh in ihrer Herde von Arbeitssklaven. Wenn Don Francisco mich betrachtete, sah er kein Kind, sondern einen Besitz. Der Don brachte mir nicht mehr Zuneigung entgegen als den Rindern, die auf seinen Feldern grasten.
    Da mich Spanier und Indios gleichermaßen ablehnten, wollten auch die anderen Kinder nicht mit mir spielen. Rasch lernte ich, dass meine Hände und Füße ausschließlich dazu da waren, mich gegen ihre Übergriffe zu verteidigen.
    Auch im Haupthaus der Hacienda fand ich keine Zuflucht. Der Sohn des Dons, José, war ein Jahr, die Zwillingstöchter, Maribel und Isabella, waren zwei Jahre älter als ich. Es war ihnen verboten, mit mir zu spielen, verprügeln jedoch durften sie mich nach Herzenslust.
    Doña Amelia legte mir gegenüber gnadenlose Gehässigkeit an den Tag. Für sie war ich die Fleischwerdung der Sünde - der lebende Beweis dafür, dass ihr Mann, der Don, es mit einer Indiofrau getrieben hatte.
    In dieser Welt wuchs ich auf, mit spanischem und indianischem Blut in den Adern, doch von keiner Seite anerkannt. Außerdem lag auf mir der Fluch eines Geheimnisses, das eines Tages eine angesehene Familie Neuspaniens in ihren Grundfesten erschüttern sollte.
    Irgendwann kam der Tag, an dem ich mit eigenen Augen sah, was Menschen wie mich, Mischlinge also, erwartete, wenn sie sich auflehnten. Ich hatte mein elftes Lebensjahr fast zur Hälfte hinter mich gebracht, als ich, einen Fischerspeer in der Hand, aus der Hütte kam, die ich mit meiner Mutter teilte. Plötzlich hörte ich Hufgetrappel und Gebrüll.
    »Los, weiter, beeil dich!«
    Zwei Reiter trieben mit Peitschen einen Mann vor sich her. Die Pferde im Nacken kam er mir auf der Dorfstraße entgegengetaumelt.
    Die Reiter gehörten zu Don Franciscos Soldaten, Spanier, die die Hacienda mit ihren Musketen vor Räubern beschützten und die Indios auf dem Feldern mit ihren Peitschen in Schach hielten.
    »Los, Mestize!«
    Der Mann war ein Halbblut wie ich. Er trug die Kleider eines Bauern und war hellhäutiger und größer als ein Indio. Ich war der einzige Mestize auf der Hacienda und kannte den Mann nicht. Allerdings wusste ich, dass es im Tal noch weitere Mestizen gab.
    Ein Reiter näherte sich dem Mestizen und versetzte ihm einen heftigen Stoß, sodass der Mann stolperte und bäuchlings zu Boden fiel. Sein Hemd war blutig und zerrissen, sein Rücken mit blutenden Peitschenstriemen übersät.
    »Wer ist er?«, fragte ich meine Mutter, die neben mich getreten war.
    »Ein Bergwerkssklave«, erwiderte sie. »Ein Mestize, der aus einer Silbermine im Norden davongelaufen ist. Er hat ein paar Arbeiter auf dem Feld um etwas zu essen gebeten, und die haben dann die Soldaten gerufen. Die Bergwerke zahlen eine Belohnung für jeden Geflohenen.«
    »Und warum schlagen sie ihn?«
    Meine Mutter würdigte diese dumme Frage nicht mit einer Antwort. Ich hätte sie genauso gut fragen können, warum man einen Ochsen schlägt, damit er den Pflug weiter zieht. Mestizen und Indios waren nichts weiter als Arbeitstiere. Sie durften die Hacienda nicht verlassen und waren Eigentum ihrer spanischen Herren. Wenn sie einen Fehler machten, wurden sie ausgepeitscht wie ein Tier, das seinem Herrn nicht gehorcht. Laut Gesetz des Königs war es zwar verboten, Indios zu

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