verließen wir Mexiko-Stadt, um in Veracruz an Bord der Schatzflotte zu gehen.
Don Diego hatte mich in der Familie willkommen geheißen, ohne mir in die Augen sehen zu können. Selbstverständlich hatte sich Mateo, der alleinige Verteidiger des Palastes, auch für mich eine Heldenrolle in seinem Revolutionsstück ausgedacht, die nur unerheblich bescheidener war als seine eigene. Dank meines alten Familienstammbaums, meiner entfernten Verwandtschaft mit dem spanischen Königshaus und meiner jüngsten Heldentat - und nicht zu vergessen eines beträchtlichen Beitrags zur Kriegskasse des Königs - wurde ich an den Königshof in Madrid beordert, um drei Jahre lang einen Posten im Indischen Rat zu bekleiden. Wegen der Fahrtzeit zwischen Europa und der Kolonie und der Besuche bei meinen Verwandten auf der Halbinsel sollten bis zu meiner Rückkehr mehr als fünf Jahre ins Land gehen. Und währenddessen würde längst Gras über die Taten von Cristo el Bastardo gewachsen sein.
Mateo fuhr auf demselben Schiff. Er hatte unseren Schatz aus dem Geheimversteck geholt und prahlte, er werde in Madrid eine große Arena bauen und sie mit Wasser voll laufen lassen, um für den König die große Seeschlacht von Tenochtitlán aufzuführen. Ich machte mir ernstlich Sorgen, dass er sich wieder in Schwierigkeiten bringen könnte.
Der geneigte Leser mag all das für ein Märchen halten, denn schließlich ist es ziemlich unwahrscheinlich, dass sich ein armer Straßenjunge in einen Adligen verwandelt und eine schöne Frau heiratet. Aber schließlich wurde auch Amadís de Gaula als Kind ausgesetzt und eroberte dennoch eine Prinzessin und ein Königreich.
Und es besteht nicht der geringste Anlass, Cristo el Bastardo weniger zuzutrauen.
Allerdings habe ich nicht immer die ganze Wahrheit geschrieben, da mir das aus verständlichen Gründen nicht möglich war. Ihr müsst mir verzeihen, denn ich gebe zu, dass ich in meinem geheimen Bericht an manchen Stellen gelogen habe.
Ich werde mich jetzt verabschieden…
Um dem Einwand vorzugreifen, ich hätte einen Teil der Geschichte weggelassen, möchte ich noch erwähnen, warum die Wachen Luis nicht glaubten. Die Frage ist, weshalb er ihnen nicht sagte, dass er nicht Cristo el Bastardo sei.
Tja, dazu hatte er leider nicht die Möglichkeit. Er hat es zwar versucht, aber die Worte kamen ihm einfach nicht über die Lippen. Mateo klärte uns über den Zusammenhang auf, bevor Eléna und ich an Bord der Galeone nach Sevilla gingen: Als er sich im Palast des Vizekönigs über Luis beugte, hatte er ihm die Zunge herausgeschnitten.
Nun ist der Zeitpunkt gekommen, die Feder wegzulegen. Als Angehöriger des neuspanischen und spanischen Hochadels bin ich schließlich ein Mann des Schwertes, nicht des Wortes.
Geht mit Gott, meine Freunde.
NACHWORT
Bei seinem Tod im Jahr 1999 hinterließ Gary Jennings einen reichen Schatz an Romanentwürfen und unvollendeter historischer Belletristik. Die Erbengemeinschaft von Gary Jennings und sein Lektor haben in Zusammenarbeit mit einem sorgfältig ausgewählten Autor seine Hinterlassenschaft geordnet und ergänzt, um diesen Roman in einer Weise fertig zu stellen, die Jennings' schriftstellerischem Können und seinem unverwechselbaren Stil gerecht wird.
Die in diesem Roman geschilderten historischen Begebenheiten ereigneten sich im Mexiko des siebzehnten Jahrhunderts, das damals Neuspanien hieß. Episoden wie die Manipulation des Maispreises und die darauf folgenden Hungerrevolten, die zum Sturm auf den Palast des Vizekönigs führten, fallen ebenso in diese Zeit wie der Piratenüberfall auf Veracruz, der mörderische Kult der Jaguar-Ritter und die Abenteuer der Nonne und Räuberin Catalina de Erauso.
Das historische Vorbild für Eléna war natürlich Schwester Juana Ines de la Cruz. Die schöne, hochintelligente, unehelich geborene (ihre Geburtsurkunde bezeichnete sie als ›Tochter der Kirche‹) und begabte Dichterin drohte, sich als Mann zu verkleiden und heimlich zu studieren, da Frauen an der Universität nicht zugelassen waren.
Was die zeitliche Abfolge der Ereignisse angeht, hat sich der Autor einige künstlerische Freiheiten erlaubt.