Das Blut der Berge (Die Steinzeit-Trilogie) (German Edition)
ihnen. Dort waren sie. Ein festes Lager. Starke Jäger. Interessante Waffen. Junge Frauen. Er nahm die Bilder in sich auf, registrierte die Statur eines jeden Gegners und die Lage eines jeden Steines, und war wieder verschwunden, bevor er einen Schatten geworfen hatte.
Am Abend ging Pinaa mit dem Bauch voller Fisch und dem Kopf voller Kindergebrabbel schlafen und die Bilder, die sie nachts ereilten, beruhigten ihre Ängste nicht. In ihren Armen lag ein kleines Kind und lächelte sie an. Es war wunderschön und Pinaa fühlte, wie sehr sie es liebte. Tisgar war neben ihr. Er sah ihr in die Augen und Pinaa war glücklich. Sie waren eine Familie. Dann sagte Tisgar: "Es ist ja nur ein Mädchen." Pinaa schreckte aus dem Schlaf. Sie sah sich um. Tisgar lag neben ihr und atmete ruhig. Sonst war niemand bei ihnen, es war also nicht wirklich passiert, sie hatte nur Bilder gesehen. Sie legte sich wieder hin und kuschelte sich an Tisgar, fand aber keinen Schlaf mehr. Konnte das möglich sein? War ihr Mann so auf einen Sohn fixiert, dass sie ihn mit einem Mädchen enttäuschen würde? Oder redete sie sich das nur ein? Wie viele Kinder musste sie zur Welt bringen, bis ein Junge dabei war? Würde sie überhaupt Kinder bekommen? So quälte sie sich die restliche Nacht und stellte fest, dass ihr der Besuch bei Ilaa nicht geholfen hatte, ihre Gedanken in die richtigen Bahnen zu lenken. Sie hoffte, dass bald etwas passieren würde, was sie vielleicht von dem Thema ablenkte. Und ihre Hoffnung wurde erhört.
Am nächsten Morgen kamen die Jäger Rogar und Lassan mit einem Fuchs, der sich in einer der Fallen verfangen hatte, und Neuigkeiten vom unteren Teil des Sees zurück. "Die Sippe von Tamboo siedelt sich auch am großen See, ganz in unserer Nähe, an." berichtete Rogar, während er den toten Fuchs zur Verarbeitung vorbereitete. "Tamboo?" Telgar zog die Augenbrauen hoch. "Ihr Lager lag auf unserem Handelsweg. Seine Sippe betreibt viele Tauschgeschäfte und er war immer sehr interessiert an unseren Steinen." "Er sagte auch, dass er mit dir über Geschäfte reden will." bestätigte Rogar misstrauisch. "Wir müssen aufpassen, dass nicht plötzlich alle hierher kommen und die Berge nach unseren Steinen durchsuchen."
"Es sind nicht unsere Steine." sagte Telgar. "Und eine gute Partnerschaft kann uns nur willkommen sein. Wir warten erst einmal ab, was Tamboo sich vorstellt. Aber du hast recht, wir müssen vorsichtig sein." Telgar war ein ruhiger und weit blickender Anführer. Aus seinen dunkelblauen Augen sprach Weisheit, schnell erkannte er Vor- und Nachteile für sich und seine Sippe. Er war größer als sein Sohn Tisgar und strahlte Gelassenheit und Wissen aus. Pinaa wusste aber aus Tisgars Erzählungen, dass sein Vater auch laut und angsteinflößend sein konnte, wenn es nötig war.
Telgar ging nicht selbst zu Tamboo, er wartete, bis dieser ihn aufsuchte, was bereits am nächsten Tag der Fall war. Tamboo kam allein und unbewaffnet und staunte erst einmal über die rechteckigen Hütten auf den Plattformen. Telgar erläuterte ihm gern die Vorzüge und bot sogar an, dass einer seiner Männer Tamboos Sippe die Bauweise zeigte. Tamboo war begeistert. Er war ein großer, breiter Mann mit vielen Haaren - nicht nur auf dem Kopf - und einer lauten durchdringenden Stimme. Er redete gewandt und viel und nahm seine Umgebung schnell für sich ein. Für viele wirkte er plump und schien etwas schwer von Begriff zu sein, aber in Wirklichkeit war er äußerst schlau und das gehörte zu seiner Taktik. Pinaa war nicht sicher, ob man ihm trauen sollte, Taro wich vor Tamboos Gepolter lieber zurück. Dieser lud Telgar und seine Familie, wozu auch Pinaa gehörte, zum Essen in sein neues Lager ein. "Es ist noch nicht fertig ..." meinte er verlegen. "Und vielleicht sollten wir diese neue Bauweise ausprobieren ... aber ich hoffe, dass ich euch auch so zufriedenstellen kann. Ich möchte gerne so schnell wie möglich mit dir über einige Dinge reden." Telgar sagte zu und Tamboo stapfte zufrieden davon.
Tamboos Lager lag tatsächlich höchstens 300 Schritte von ihrem entfernt und war noch nicht einmal richtig angefangen. Bisher gab es eine einzige kleine Rundhütte, zwei größere Feuerstellen und einige schnell aufgebaute Zelte. Die meisten Sippenmitglieder waren noch recht geschäftig dabei, Material zusammenzutragen und den Aufbau weiterer Hütten vorzubereiten, begrüßten die Ankommenden aber freundlich und wechselten ein paar Worte mit Telgar oder Tisgar.
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