Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Blut der Lilie

Titel: Das Blut der Lilie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Donnelly
Vom Netzwerk:
war,
und bat ihn, das schönste Feuerwerk zu besorgen, das Paris je gesehen hatte.
    Â»Zwei Dutzend Luzifer-Raketen«, sagte er, als er sie mir
übergab. »Die größten und besten.«
    Luzifer, der Morgenstern. Damit werde ich den Himmel
erleuchten. Die Nacht zum Tag machen.
    Ich
werde Silber und Gold auf dich hinabregnen lassen. Ich werde die Nacht
zerschmettern, sie aufreißen und eine Million Sterne ausgießen. Wende dich ab
von der Dunkelheit, dem Wahnsinn, dem Schmerz.
    Ã–ffne
die Augen. Und du wirst wissen, dass ich hier bin. Dass ich mich erinnere und
hoffe.
    Ã–ffne
die Augen und sieh ins Licht.
    Â Â 83  
    Ich brauchte zu lange.
    Ich zündete zu viele.
    Als ich schließlich vom Dach hinuntersteige, die Treppen des
Glockenturms hinab- und aus der Kirche hinauslaufe, wimmelt es nur so vor
Menschen auf der Straße. Männer und Frauen in Nachtgewändern rennen herum,
schreien und deuten zum Himmel. Überall sind Wachen. Sie halten Leute an.
Stellen Fragen. Brüllen sie an, wieder in ihre Häuser zu gehen.
    Ich ziehe den Kopf ein und gehe mit meinem Gitarrenkoffer in
der Hand schnell weiter. Fast hätte ich es geschafft. Ich bin fast schon weg
von der Straße und um eine Ecke verschwunden, als mir jemand nachruft. Ich tue,
als hätte ich nichts gehört.
    Â»He, du! Mit der Gitarre! Ich sagte: Stehen bleiben!«
    Gleich darauf packt mich seine grobe Hand und reißt mich
herum.
    Â»Deine Papiere!«, brüllt er mich an. Er hat eine Pistole.
    Â»Ah, Bürger, tut mir leid. Die hab ich zu Hause«, antworte
ich.
    Â»Wer bist du? Wie ist dein Name?«
    Â»Alexandre Paradis«, antworte ich.
    Â»Was machst du hier?«
    Â»Ich habe Gitarre gespielt. In einem Café. Im Alten Gascon.
Gleich oben an der Straße.«
    Seine Nasenflügel zucken. Ich stinke nach Schwefel und Rauch.
Er nimmt meinen Gitarrenkoffer und macht ihn auf. Er ist leer. Fast. Er dreht
ihn um. Schüttelt ihn. Papier flattert auf den Boden.
    Ich weiß, was als Nächstes kommen wird. »Tun Sie’s nicht.
Bitte«, flüstere ich. »Hören Sie zu, Hören sie mich an …«
    Â»Heb die Hände über den Kopf«, befiehlt er.
    Ich schüttle den Kopf und weiche zurück. Da ich als Kind
nicht in die Kirche gegangen bin, habe ich jetzt keine Gebete, die ich aufsagen
könnte. Keine Worte, um meine Seele Gott anzuvertrauen. Aber die Zeilen eines
Gedichts fallen mir ein.
    Â» Vielleicht,
dass ich vor einem Alter in angemaßtem Selbstvertrauen scheiternd, in dem Moment
Gebete aufgesandt … «
    Â»Nimm die Hände hoch«, brüllt der Wachmann.
    Â»â€¦
von solchem Ernst, so voll von bessrem Licht vom Tode eingelassen … «
    Â»Das ist meine letzte Warnung!«
    Â» …
um eine, nur eine Möglichkeit, dass hier das Leben nicht vollständig
ausgelöscht ward, sondern Reste blieben noch zerstreut, dunkle Gedächtnisse,
wie jetzt – da wieder hell das Ziel erscheint. «
    Er hebt die Pistole.
    Und drückt ab.
    Â Â 84  
    Ich renne. Mit einer Kugel in der Seite.
    Ich renne durch Straßen und Gassen, durch die Nacht, durch
den Schmerz. Und irgendwie entkomme ich. Der Gardist ist langsam. Es sind keine
anderen Wachen in der Nähe, die seine Rufe hören könnten. Zu viele Menschen,
von dem Schuss erschreckt, laufend schreiend durcheinander. Ich dränge mich
durch das Gewühl hindurch, haste eine Gasse hinunter, durch einen Hof, in eine
dunkle Straße.
    Ich renne immer weiter. Nach Süden. Zum Palais Royal.
    Das Foy ist geöffnet, als ich dort ankomme. Leute essen und
trinken. In der Küche herrscht emsiges Treiben. Ich warte an der Tür, im
Schatten. Als eine Chance sich bietet, husche ich in den Keller.
    Ich schaffe es durch den Gang, durch die leeren Küchensäle
des Herzogs von Orléans, eine Treppe hinauf, durch hallende Räume bis zum
Speisesaal, wo ich auf dem kalten Steinboden zusammenbreche.
    Dort bleibe ich einige Zeit liegen und taste, als ich den Mut
dazu aufbringe, nach meiner Wunde. Am unteren Ende meines Brustkorbs ist ein
Loch. Das Blut auf meinen Händen wirkt schwarz in der Dunkelheit.
    Ich schließe die Augen und versuche nachzudenken. Was soll
ich tun, wo soll hingehen? Ich habe kein Geld bei mir, keinen einzigen Sou. Der
Gardist hat meinen Gitarrenkoffer. Meine Tasche und mein Instrument sind in
Amadés Wohnung. Ich habe nichts als meine Taschenlampe,

Weitere Kostenlose Bücher