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Das Blut der Lilie

Titel: Das Blut der Lilie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Donnelly
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normalerweise
auftrete. Dem Gitarristen. Er ist weg. Nach Moldawien zurück, um seine Zähne zu
holen.«
    Â»Seine was?«
    Â»Seine Zähne. Er hat sein Gebiss seinem Bruder zur Hochzeit
geliehen. Damit er gut aussieht auf den Fotos. Auch für die Flitterwochen hat
er sie ihm gelassen. Was wirklich nett von ihm war, nicht? Aber jetzt will sein
Bruder sie nicht mehr hergeben. Er hat sie ihm nicht mit der Post geschickt,
wie abgemacht. Und dieser Typ, Constantin, muss sie sich holen. Aber egal,
willst du mit? Es ist zwar eine ziemliche Strecke von hier, aber bei Rémy
gibt’s was zu futtern.«
    Â»Ich weiß nicht«, sage ich. Zwar habe ich wirklich Hunger und
mir ist wahnsinnig kalt. Andererseits, ich habe diesen Typen gerade erst
kennengelernt, und er redet eine Menge über Zähne, und aus seiner Tasche ragt
eine Säge.
    Jules zuckt die Achseln. Er verabschiedet sich und geht
davon. Ich klimpere auf meiner Gitarre und denke, dass ich noch eine Stunde
hier bleiben will. Vielleicht kriege ich noch ein paar Euro zusammen. Dann
hätte ich genug für eine warme Mahlzeit in einem billigen Café. Doch gerade,
als ich ein paar Takte von Wake
Me Up When September Ends gespielt habe, reißt meine A-Saite. Ich
habe keinen Ersatz dabei.
    Ich drehe mich um und suche den Mann in Orange. Ich entdecke
ihn. Er ist ein paar Meter entfernt und will gerade um eine Ecke biegen.
    Â»Jules! Hey, Jules!«, rufe ich.
    Er dreht sich um. »Was ist?«
    Â»Hast du Gitarrensaiten bei dir?«
    Â»Ja.«
    Â»Okay.«
    Â»Okay – was?«
    Warum mache ich mir eigentlich Sorgen? Ein Serienkiller wird
all meine Probleme lösen.
    Â»Okay, warte. Ich komme mit.«
    Â Â 23  
    Â»Sie ist gut«, sagt Jules.
    Â»Sie ist dürr«, erwidert der glatzköpfige Mann wenig
begeistert.
    Â»Na und?«
    Â»Na und? Weil sie mir die ganze Küche leer fressen wird!
Warum bringst du mir immer streunende Hunde? Constantin. Virgil. Jetzt die
hier!«
    Jules gibt Rémy einen Kuss auf den Glatzkopf. Rémy flucht.
Jules zupft mich an der Jacke. »Komm weiter. Hier entlang.«
    Ich höre, wie Rémy zu einem Kellner sagt: »Interessiert doch
keinen, ob sie gut ist. Die Gäste wollen keine talentierten Mädchen sehen.
Sondern hübsche. Mit großen Titten.«
    Â»Nächstes Mal bring ich welche mit«, sage ich. Rémy hört mich
nicht, aber Jules tut es.
    Â»Mach dir nichts draus«, sagt er. »Er ist immer so.«
    Â»Glaubst du, irgendjemand macht Jack White an, weil er keine
Titten hat?«
    Â»Hör nicht drauf. Alles, was zählt ist das Essen. Er hat
Gulasch heute Abend. Das rieche ich.«
    Wir gehen durch das winzige Restaurant, an einem Zinktresen
vorbei, zu einer Bühne, nicht größer als ein Gullydeckel. Es gibt kein Mikro.
Keine Lautsprecher. Rein gar nichts.
    Ich wechsle meine gerissene Saite, stimme mein Instrument,
und dann spielen wir. Schlecht anfangs, bis unsere Finger aufgewärmt sind, dann
ein bisschen besser. Jules singt die erste Stimme, ich den Background. Wir sind
gar nicht mal übel, aber dennoch ignorieren uns die meisten Gäste. Ich werfe
einen Blick auf Rémy, der durchs Lokal geht. Er runzelt die Stirn. Dann kommt
er zu uns und sagt: »Spielt was Trauriges. Die Leute trinken mehr, wenn sie
traurig sind.«
    Also gehorchen wir. Wir spielen ein paar Stücke von Jeff
Buckley, von Simon und Garfunkel und ungefähr eine Stunde lang noch ein paar
weitere Songs, die einen runterziehen, bis Rémy uns zur Bar winkt. Dort stehen
zwei Teller mit Rindsgulasch und ein Korb mit knusprigem Brot.
    Jules lächelt mich an. »Ich hab dir doch gesagt, dass wir was
zu essen kriegen.«
    Das Gulasch ist gut.
Besser als gut. Es ist wie eine Bluttransfusion.
    Â»Hey, Jules, das schmeckt fantastisch. Danke, dass du mich
mitgenommen hast«, sage ich zwischen zwei Bissen.
    Er will gerade etwas erwidern, als ein Typ herkommt, den
Löffel aus Jules Teller nimmt und anfängt sein Essen zu verputzen. Ich bin
irgendwie besorgt, bis ich sehe, dass die beiden einander auf die Wange küssen.
    Â»Das ist Virgil«, sagt Jules zu mir. »Virgil, das ist Andi.
Ich hab sie am Eiffelturm getroffen. Sie ist gut.«
    Â»Was macht sie dann bei dir?«, fragt Virgil.
    Er dreht sich zu mir um, und … wow, er sieht klasse aus.
Verdammt. Ich meine, wirklich klasse. Er ist groß und schlank, mit Dreadlocks wie Lil
Wayne und

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