Das Blut der Medusa
sie nicht so.«
»Verdammt, ich habe mich nicht getäuscht. Dieses Bild steckt voller Magie, es lebt.«
Auch der Reporter holte einen Spiegel hervor und kantete ihn so, daß sich das Gemälde darin abzeichnete.
»Na?« fragte Suko.
Bill preßte für einen Moment vor Enttäuschung die Lippen zusammen.
»Du hast recht, da tut sich nichts.« Er räusperte sich. »Aber geirrt habe ich mich nicht, Suko. Außerdem sind die beiden Versteinerten der Beweis, daß etwas nicht stimmt.«
»Das glaube ich fest. Aber hier ist die Medusa…« Suko sprach den Satz nicht mehr zu Ende. Er hatte sich noch einmal stark auf das Bild im Spiegel konzentriert und glaubte plötzlich, etwas gesehen zu haben. Nicht der Mund dieser Medusa verzog sich zu einem Lächeln, es waren die Augen, in die so etwas wie Leben trat. Sie bekamen einen völlig anderen Ausdruck. Bisher schien tief in ihren Pupillenschächten eine Kraft nur gelauert zu haben. Jetzt aber stieg sie hervor und gab den Pupillen einen eigenartigen Glanz.
»Sie lebt, nicht?« fragte Bill, dem natürlich alles aufgefallen war.
»Ich glaube.«
»Die Augen.«
Bill konzentrierte sich darauf. »Okay, Suko, du hast recht. Sie sehen anders aus. Da ist plötzlich ein dunkles Licht, das von unten herkommt. Ein Wahnsinn, Mensch.«
Das Gespräch der beiden Freunde versiegte. Jetzt gab es nur mehr das Gesicht der Medusa. Es war nicht normal, dahinter steckte viel mehr: eine Macht, die der eines normalen Menschen über war. Das Leben setzte sich fort.
Auf einmal bewegten sich auch die Schlangenkörper. Zunächst war es nur ein Zucken, vielleicht ein Zittern, das bei den Köpfen begann, wobei sich die Schlangenmäuler öffneten und dünne, lange Zungen hervorschossen, die wie kleine Peitschenschnüre wirkten. Auch der Mund blieb nicht mehr so starr. An den Winkeln zog er sich auseinander. Ein fast amüsierter Ausdruck glitt über den unteren Teil des Gesichts. Es schien so, als wollte die Medusa die beiden Männer spöttisch anlächeln, weil sie sich ihrer Macht bewußt war.
»Die wird sich wundern!« flüsterte Bill. »Was sagst du jetzt, Suko? Habe ich recht gehabt?«
»Ich nehme alles zurück und behaupte das Gegenteil.«
»Willst du es zerstören?«
»Ja, das ist der beste Zeitpunkt. Das heißt, ich kann es versuchen.«
Suko schaute auch weiterhin in seinen Spiegel und drehte dem Gemälde den Rücken zu. Wenn er schlug, wollte er zu einem Rundschlag ansetzen und sich nicht frontal dem Bild nähern. Bill beobachtete ihn gespannt. Er hätte selbst gern eingegriffen, aber Sukos Methode war sicherer!
Der Inspektor hob seinen rechten Arm. »Schau sie nicht direkt an!« zischte er Bill zu.
»Was denkst du denn? Ich will mich doch noch bewegen können. Viel Glück, Alter.«
»Kann ich brauchen.« Suko hatte bereits ausgeholt. Er ging sicherheitshalber rücklings zwei Schritte auf das Gemälde zu, um die entsprechende Distanz zu bekommen.
Den rechten Arm hatte er bereits erhoben. Den Peitschengriff hielt er locker und dennoch fest. Suko konnte mit diesem Instrument perfekt umgehen. Er war darin ein Meister.
Sein Arm raste nach unten. Gleichzeitig streckte er sich. Die drei Riemen fächerten auseinander, so wie Suko es gewollt hatte. Beide Männer schauten dabei in ihre Spiegel. Sie wollten den Erfolg mitbekommen und freuten sich, als sie das Klatschen hörten, mit dem die drei Riemen gegen das Gemälde schlugen.
Sie waren fächerförmig geblieben und hätten das Gesicht an drei Stellen erwischen müssen.
War es ein Schrei, war es ein Zischen, das sie vernahmen? Vielleicht beides. Dann passierte das Schreckliche. Das Gesicht der Medusa verschwand. Innerhalb des Rahmens bewegten sich dünne Nebelschleier durch eine leere Landschaft.
Die Freunde wandten dem Bild noch immer ihre Rücken zu. Sie konnten es nicht fassen. Bill gab schließlich zuerst einen Kommentar ab. »Hast du sie zerstört?«
Langsam drehte sich Suko um und stellte sich vor das Bild hin. »Das glaube ich nicht.«
Auch Bill machte die Drehung. »Aber sie ist nicht mehr vorhanden!« keuchte er.
»Stimmt. Nur mehr Nebel…«
»In den sie sich aufgelöst hat.«
»Bist du dir da ganz sicher?«
»Was heißt sicher?« Bill hob die Schultern. »Ich kann mir keine andere Möglichkeit vorstellen.«
»Da stimmt einiges nicht«, sagte Suko. »Schau dir das doch an. Das Gesicht ist verschwunden. Okay, das nehme ich noch hin. Ich frage mich nur, weshalb auch die Leinwand nicht mehr vorhanden ist. Zumindest Reste von ihr
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