Das Blut der Medusa
Fächerblättern der Palmen beschattet.
Mona ging nicht weg. Sie beugte sich neben einem Kübel dem Boden entgegen und holte etwas hervor.
»Das Blut der Medusa!« hauchte Clarissa.
Sie hatte recht. Wenn es das Blut war, so befand es sich in einem Tonkrug, den die Medusa mit beiden Händen festhielt. Sie hatte die Handfläche gegen die Außenwände des Krugs gepreßt und ging so vorsichtig, als würde sie einen kostbaren Schatz tragen. Clarissa Main stieß mich an. »John, du hast doch eine Waffe. Nimm sie, und schieße den Krug entzwei. Dann ist das Blut nicht mehr wirksam.«
Die Idee war nicht schlecht. Dennoch zögerte ich — und entschied mich dagegen.
»Nein, das mache ich nicht!«
»Weshalb, du…?«
»Ich will Flora!«
Clarissa nickte. »Okay, du hast hier das Sagen. Ich werde nichts mehr tun.«
»Doch, du wirst etwas tun. Geh bitte zurück. Verstecke dich meinetwegen im Haus, das ist besser.«
»Warum? Ich…«
»Mach schon, die Zeit ist knapp. Noch hast du die Gelegenheit.«
Clarissa warf mir noch einen unsicheren Blick zu, bevor sie nickte, sich umdrehte und weglief. Schon bald waren ihre Schritte nicht mehr zu hören.
Was sich die Medusen dabei dachten, war mir egal. Sie hatten es gesehen, nur kümmerten sie sich nicht darum.
Die drei Frauen hielten jetzt Becher in den Händen. Mona war diejenige, die einschenkte.
Sie tat es mit gemächlichen Bewegungen, und auf ihren Lippen lag dabei ein geheimnisvolles Lächeln. Klar, sie gehörte zu denjenigen, die genau Bescheid wußten.
Ich hatte meine Hand in die Tasche der leichten Jacke versenkt. Dort umklammerten meine Finger die in diesem Fall wichtigste Waffe - den Spiegel.
Sollten sich diese Frauen tatsächlich in Medusen verwandeln, wurde es für mich brandgefährlich.
Mona stellte den Krug zu Boden. Von der dunkelhaarigen Freundin bekam sie ebenfalls einen Becher gereicht. Sie goß noch etwas Medusenblut hinein.
Ich konnte von meinem Standplatz aus die Flüssigkeit erkennen, die in die Öffnung rann.
Sie war nicht so kräftig wie Blut, besaß schon eine rote Farbe, war aber etwas heller.
Der Atem floß langsam aus meinen Nasenlöchern. Ich versuchte, mich innerlich zu entspannen und stand so, daß mir die Sonne in den Rücken schien und mich nicht blendete.
Die vier Medusen hoben die Hände mit den Bechern leicht an. Sie prosteten sich zu, lächelten dabei, und es kam mir falsch und auch schlangenhaft vor.
Dann tranken sie.
Auch dies wurde zu einem Zeremoniell. Sie preßten die runden Ränder der Becher gegen ihre Lippen und ließen die sirupartige Flüssigkeit in die Kehlen rinnen.
Ich schaute kurz nach rechts und auch hoch, wo sich die Galerie befand. Sie war leer. Glücklicherweise hatte sich Clarissa zurückgezogen. Mein Blick fiel auf die vier Frauen. Ihre Hände mit den Bechern waren nach unten gesunken. Die Medusen machten einen durchweg zufriedenen Eindruck. Auf ihren Gesichtern lag ein Strahlen, als hätten sie den kostbarsten Champagner getrunken.
Noch standen sie im Halbkreis, schauten sich gegenseitig an, nickten sich auch zu, und das war gleichzeitig das Kommando, sich herumzudrehen.
Sie taten es synchron.
Ich war ihr Opfer!
Aber ich hielt bereits den Spiegel in der Hand, hatte mich ebenfalls gedreht und hielt den Spiegel so, daß ich alle vier in der Fläche erkannte.
»Wer sie ansieht, wird zu Stein!«
Mona hatte den Satz geschrien, denn sie war die erste, die sich in eine fürchterliche Medusa verwandelte…
***
Suko hatte wirklich an alles gedacht und dank der Beziehungen seines Chefs freie Hand bekommen. Sogar der Generalschlüssel war ihm überlassen worden, so daß er den Ausstellungsraum betreten konnte. Bill wunderte dies. »Da habe ich mit dir ja einen richtigen Glücksgriff getan«, sagte er.
»Danke.«
»Und hier hat er versteinert an der Wand gelehnt!« flüsterte der Reporter. Er zeigte Suko die Stelle, wo Sheila und er den Reporter Erich Tarknet gefunden hatten.
»Das hat der örtlichen Polizei auch Rätsel genug aufgegeben. Immerhin war es der zweite Mann, der auf diese Art und Weise ums Leben gekommen ist.«
»Hoffentlich werden wir nicht die nächsten beiden sein.«
»Das walte Hugo.«
»Wie willst du eigentlich vorgehen, Suko?«
Der Inspektor hob die Schultern. »Ich habe eigentlich noch keinen genauen Plan, aber es steht jetzt schon fest, daß wir dieses Bild zerstören müssen. Das habe ich auch mit den Kollegen abgesprochen.«
Bill schaute zu den Baumkronen, hinter denen sich der
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