Das Blut der Unschuldigen: Thriller
überstürzte Reise schien den Mann überhaupt nicht beunruhigt zu haben. Das wiederum konnte nur bedeuten, dass er über jeden seiner Schritte informiert war, und das rief in ihm eine gewisse Besorgnis wach. Woher mochte er wissen, dass er mit al-Bashir zusammentreffen würde?
Er beschloss, zur Place Vendôme zu schlendern und sich ein wenig in den Läden dort umzusehen. Anschließend konnte er aus der Bar des Ritz den Jugoslawen anrufen. Oder war es besser zu warten, bis sich dieser von sich aus meldete? Bestimmt war ihm bekannt, wo er zu erreichen war. Er zweifelte nicht daran, dass der Jugoslawe einen seiner Leute ins Crillon beordert hatte, der ihn vom Eintreffen des Grafen in Kenntnis setzen sollte. Er musste zur Bank gehen, um einen größeren Betrag für Ylena abzuheben, außerdem wurde es allmählich Zeit, dass er die Papiere für Ylena und ihre Begleiter bekam. Trotz der unmissverständlichen Anweisung des Koordinators, dass keine Spuren hinterlassen werden durften, hatte er auch gefälschte Kreditkarten beantragt. Kreditkarten aber, ganz gleich ob echt oder gefälscht, hinterließen auf jeden Fall Spuren.
Er ahnte nicht, dass ihm im Auftrag des Zentrums zur Terrorismusabwehr und des französischen Sicherheitsdienstes sechs Männer und zwei Frauen auf Schritt und Tritt folgten, seit er das Hotel verlassen hatte.
Lorenzo Panetta hatte Hans Wein gebeten, er möge ihn nach Paris abordnen, damit er die Überwachung des Grafen dort selbst koordinieren könne.
Panettas Überzeugung nach würde sie das Zusammentreffen des Grafen mit al-Bashir auf eine verwertbare Fährte bringen. Diese Ansicht teilte auch Lucas, der sich zu seiner Unterstützung ebenfalls in Paris befand. Es war ihm gelungen, im Lokal L’Ambroisie für zwei seiner Leute einen Tisch nahe dem für den Grafen d’Amis reservierten zu bekommen.
Wie immer war im Restaurant La Tour d’Argent kein Tisch frei, aber als d’Amis anrief und seinen Namen nannte, bekam er
dennoch einen. Gerade als er sich auf den Weg ins L’Ambroisie machen wollte, hatte sich al-Bashir gemeldet und ihn gebeten, ihre Zusammenkunft in ein anderes Lokal zu verlegen. Eine halbe Stunde zuvor hatte sich seine Gewährsfrau aus Brüssel gemeldet, um ihm mitzuteilen, dass sich Lorenzo Panetta in Paris aufhalte. Weder von ihm noch vom Leiter des Zentrums habe sie Näheres erfahren können, da die beiden seit dem Anschlag in Frankfurt niemandem mehr zu trauen schienen, auch ihr nicht. Zufällig aber habe sie gehört, dass Panetta gesagt habe, »sein« Mann befinde sich in Paris. Obwohl sie ihm auf seine beunruhigte Frage versichert hatte, niemand wisse etwas von ihm, und man versuche nach wie vor über Karakoz an die Gruppe heranzukommen, hatte er überlegt, dass es klüger sei, alle Verabredungen an einen anderen Ort zu verlegen, auch die mit dem Grafen.
Als dieser das Restaurant betrat, erwartete ihn al-Bashir bereits an dem für den Grafen reservierten Ecktisch.
»Warum dieser plötzliche Sinneswandel? Ich hatte immer gedacht, dass Sie besonders gern ins Ambroisie gehen.«
»Man kann nie vorsichtig genug sein.«
»Fürchten Sie, dass uns jemand verdächtigt?«
»Ich bin überzeugt, dass kein Geheimdienst auf der Welt etwas von unseren Vorbereitungen ahnt. Aber mitunter empfiehlt es die Vorsicht, Pläne zu ändern.«
»Ich wüsste gern, ob Ihre Leute bereit sind«, fragte der Graf, von dieser Erklärung befriedigt.
»Ja. Aber wir warten bis Karfreitag. Genau an dem Tag, an dem die Christen der Kreuzigung Christi gedenken, sollen die Überreste seines Kreuzes vernichtet werden, das Ihnen so verhasst ist.«
Bewundernd sah d’Amis ihn an. Ihm, der noch nie irgendwelche
religiösen Bräuche befolgt hatte, war nicht bewusst gewesen, dass die Karwoche so nahe bevorstand. Nie war auf der Burg Weihnachten gefeiert oder gar in der Karwoche getrauert worden.
»Und jetzt, mein Freund, müssen wir über Geld reden«, sagte al-Bashir nun und gab sich zerknirscht.
»Haben Sie nicht bereits den vollständigen Betrag bekommen, den wir vereinbart hatten?«
»Ich habe Ihnen schon beim letzten Mal gesagt, dass das nicht genügt. Meine Männer, die bei den Anschlägen sterben werden, hinterlassen Angehörige. In unserer Kultur ist die Familie außerordentlich wichtig. Die Söhne und Brüder unserer Märtyrer müssen deren Mütter und Ehefrauen unterstützen, damit diesen nicht nach dem herben Verlust auch noch materielle Not droht.«
»Sie bekommen, was Sie verlangen, wenn alles
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