Das Blut der Unschuldigen: Thriller
sämtliche Anschläge organisiert. Graf d’Amis ist lediglich als Geldgeber aufgetreten. Wir wissen inzwischen, dass auch in Rom ein Anschlag geplant ist, und genau dort hält sich dieser al-Bashir zur Zeit auf. Unternimm doch endlich etwas!«
Doch Wein war unnachgiebig geblieben: Ohne die Zustimmung der Briten werde er nicht tätig werden.
Auf Aguirres dringendes Ersuchen hatte sich der Vatikan mit der Regierung in London in Verbindung gesetzt, doch das dortige
Außenministerium speiste dessen Vertreter mit leeren Floskeln ab. Es hieß, die Spezialisten für den Kampf gegen den Terrorismus seien dabei, die Situation zu bewerten, und man werde selbstverständlich tätig werden, sollte sich die Notwendigkeit dafür herausstellen.
Vor seinem Abflug nach Jerusalem hatte auch Matthew Lucas seine Vorgesetzten gebeten, mit den Briten zu reden, doch waren diese wiederum den angeführten Argumenten gegenüber harthörig geblieben. Offenkundig fürchtete die Regierung Ihrer Majestät Kritik wegen ihrer jüngsten politischen Entscheidungen hinsichtlich moslemischer Einwanderer. Als Folge der Londoner Anschläge vom 7. Juni 2005 hatte sich einerseits eine Kluft in der Gesellschaft aufgetan und das Misstrauen gegenüber den Moslems zugenommen, zugleich aber fielen die Intellektuellen wie auch die Medien über die Regierung her und gaben ihr die Schuld für den Ausbruch von Fremdenfeindlichkeit. Kein Tag verging, ohne dass der Premierminister beim Frühstück einen Leitartikel oder politischen Kommentar las, der ihn angriff. Daher hatte er einen »Rat der Weisen« einberufen, der ihn in Bezug auf alles beraten sollte, was mit moslemischen Einwanderern zu tun hatte. Den Vorsitz in diesem Gremium hatte kein anderer als Professor al-Bashir.
Die Fernsehsender buhlten um die Gunst dieses Mannes, dessen Äußerungen ihren Weg in die Spalten der Times fanden. Sein Einfluss ging weit über Großbritannien hinaus und erstreckte sich auf halb Europa. Kein Wunder, dass man sich im britischen Außenministerium hütete, ins Fettnäpfchen zu treten, nur weil die Brüsseler Kämpfer gegen den Terrorismus behaupteten, der Mann stehe in Verbindung mit einem Grafen, dessen Aktivitäten Gegenstand ihrer Ermittlungen sei.
Ganz davon abgesehen, standen Wahlen vor der Tür, und ein politischer Skandal, in dem er als Rassist hingestellt wurde, war das Letzte, was der Premierminister brauchen konnte. Überdies zweifelten die britischen Geheimdienste an den Fähigkeiten des erst zwei Jahre zuvor auf Betreiben politischer Kreise eingerichteten Zentrums in Brüssel, das ihrer Ansicht nach mehr guten Willen als Ergebnisse vorzuweisen hatte.
40
Rom, früher Morgen des Karfreitags
Lorenzo Panetta wusste nicht mehr, wie viele Zigaretten er geraucht hatte.
»Kann sein, dass es uns gelingt, die Anschläge in Jerusalem und Santo Toribio zu verhindern. Aber was Rom betrifft, haben wir nicht die leiseste Ahnung, wo die Leute losschlagen wollen. Unsere einzige Fährte führt zu al-Bashir«, sagte er, ohne mit einer Antwort zu rechnen.
Aguirre wirkte älter denn je. Seine Augen waren vor Müdigkeit fast geschlossen, und Panetta merkte, dass die Hände des Jesuiten von Zeit zu Zeit kaum wahrnehmbar zitterten.
Aguirres tiefe Besorgnis war lediglich ein schwacher Widerschein dessen, was die Verantwortlichen im Vatikan empfanden. Sämtliche Sicherheitsvorkehrungen im und um den Vatikan waren verschärft worden, doch hatte sich der Papst dem
Ansinnen, am Karfreitag den heiligen Handlungen fernzubleiben, auf das Schärfste widersetzt. Er war bereit, sich ebenfalls der Gefahr auszusetzen, die den Gläubigen drohte.
Gemeinsam mit Domenico Gabrielli und Ovidio Sagardía bemühte sich Bischof Pelizzoli, die Sicherheitsmaßnahmen im Umfeld des Heiligen Vaters zu koordinieren. Falls ihm etwas zustieße… An diese Möglichkeit wollten sie gar nicht erst denken. Sagardía warf sich seine Blindheit vor und betete zu Gott um Erleuchtung. Wo und wann wollte die Gruppe zuschlagen? Nicht einmal sein alter Lehrmeister Ignacio Aguirre schien imstande, die Katastrophe zu verhindern.
»Quäl dich nicht, der Heilige Vater ist in guten Händen«, versicherte ihm Pater Domenico.
»Ignacio hatte Recht, und ich frage mich immer wieder, warum ich so verbohrt war. Dieser Graf ist ein Teufel.«
»Genau genommen ist er ein armer Mensch, ganz wie die Mitglieder der Gruppe , die sich von ihren Einflüsterern dazu bringen lassen, dass sie ihr Leben opfern«, hielt Pater Domenico
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