Das Blut der Unschuldigen: Thriller
ich bei einem Schreiber der Inquisition keinerlei Schwäche dulde.«
13
Die Nacht war angenehm kühl, doch genügte die geringe Luftbewegung nicht, den Geruch nach verbranntem Fleisch zu vertreiben.
Die Krieger des Kreuzzug-Heeres schienen in eine sonderbare Schweigsamkeit verfallen zu sein. Sie mochten nicht miteinander reden, und man hätte denken können, dass sie im Ende der Belagerung und der Übergabe der Burg von Montségur
eher einen Fehlschlag als einen glänzenden Sieg sahen.
So mancher hatte seine Tränen nicht zurückhalten können. Unter ihnen befanden sich Freunde und Angehörige der Menschen aus der Burg, denen das Verhör durch den Inquisitor bevorstand. Der eine oder andere hatte sich bei den Dominikanermönchen erkundigt, womit die zu rechnen hatten, die keine Vollendeten waren, trotzdem aber von der Inquisition festgehalten wurden. Sowohl Bruder Péire wie auch Bruder Julián hatten ihnen versichert, dass die Kirche tun werde, was ihres Amtes sei: Wer innerhalb der Burgmauern gelebt habe, werde verhört, nicht aber verbrannt, es sei denn, Bruder Ferrer könne ihn der Ketzerei überführen.
Die Verhöre waren äußerst gründlich und nahmen mehrere Tage in Anspruch. Mit rascher Feder schrieben Bruder Péire und Bruder Julián die Fragen des Inquisitors und die stammelnd vorgebrachten Antworten der Beschuldigten nieder. Manche unterzog Bruder Ferrer einer Art Feuerprobe, indem er ihnen ein Kruzifix vorhielt und sie aufforderte, es zu küssen und das Vaterunser zu beten.
Da er wusste, dass keiner von denen, die sich Gute Christen nannten, imstande sein würde, das Kreuz zu verehren, versuchte er jeden, der im Geringsten zögerte, zum Eingeständnis seines Irrglaubens zu bewegen.
Alle Aussagen der Verteidiger von Montségur wurden von den Schreibern der Inquisition genauestens festgehalten und die Protokolle an einen sicheren Ort gebracht.
Wenn Bruder Julián nach Einbruch der Dunkelheit in sein Zelt zurückkehrte, schrieb er geradezu fieberhaft beim Schein eines Talglichts nieder, welche Schrecken er miterlebt hatte. Insbesondere vermerkte er, dass Bruder Ferrer es in geradezu
krankhafter Weise an jeglichem Erbarmen fehlen ließ und voll Hinterlist dafür sorgte, dass er sich im Namen Gottes am Leiden seiner Mitmenschen weiden konnte.
Eines späten Abends trat unversehens der Ziegenhirte in Bruder Juliáns Zelt, gerade als dieser die Kerze löschen und sich zur Ruhe legen wollte.
»Was wollt Ihr hier?«, entfuhr es ihm.
»Euch an das Doña María gegebene Versprechen erinnern. Habt Ihr die Chronik fertig?«
»Noch nicht. Es gibt noch vieles zu berichten.«
»Vielleicht wollt Ihr darin vermerken, dass sich zwei Vollendete retten konnten. Péire Rotger de Mirepoix hat ihnen dabei geholfen, und er selbst ist auch in Sicherheit.«
»Bruder Ferrer hat ihn überall suchen lassen.«
»Er wird ihn nicht finden. Herr de Perelha hat dafür gesorgt, dass der Lehnsherr von Mirepoix am Leben bleibt. Vielleicht findet er eine Möglichkeit, den Widerstand gegen das Kreuzzug-Heer zu organisieren.«
Bruder Julián schwieg. Was der Hirte da andeutete, war nichts als ein Traum, der nie und nimmer Wirklichkeit werden konnte. Die Kirche und der König von Frankreich hatten die Partie gewonnen. Jedem, der nicht bereit war, sich damit abzufinden, stand ein Leben als Geächteter bevor.
»Warum haben sich die Vollendeten , von denen Ihr sprecht, zur Flucht entschlossen?«
»Auf Montségur gab es einen Schatz an Gold, Silber und Edelsteinen, Geschenke von Edelleuten und ihren Gemahlinnen, die sich zu den Gläubigen zählen, aber auch von anderen, die sich entschlossen hatten, alles aufzugeben, um Vollendete zu werden. Dieser Schatz dient uns dazu, die Gleisa de Dio zu
unterhalten.« Diese ›wahre Kirche Gottes‹, das wusste Bruder Julián von Doña María, bestand aus Häusern, in denen Witwen und Waisen sowie der Unterstützung bedürftige Brüder und Schwestern Aufnahme fanden. »Außerdem haben wir während der Belagerung von Montségur davon Lebensmittel und sogar Waffen für unsere Verteidiger gekauft … Unser Bischof wollte nicht, dass der Schatz in die Hände unserer Henker fiel. Er ist überzeugt, dass andere Vollendete Gottes Wort weiterverbreiten werden, doch dafür brauchen sie eine wohlgefüllte Börse. Unsere Brüder haben den Schatz an einem sicheren Ort verborgen. Wenn der Augenblick gekommen ist, wird man ihn verwenden, wie es die Notwendigkeit gebietet. Ich berichte Euch all das im
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