Das Blut der Unschuldigen: Thriller
Auftrag von Doña María.«
»Ihr wart ihr wohl sehr zugetan?«
Der Hirte senkte den Blick und scharrte mit der Fußspitze über den Boden, während er nach den richtigen Worten suchte.
»Doña María hat meine Frau während ihrer langen Krankheit gepflegt. Sie hat sich nicht davon abschrecken lassen, dass der Medikus gesagt hatte, sie sei ansteckend, sondern meine Frau gewaschen und ihre Schwären mit einer aus Kräutern bereiteten Paste bestrichen. Nicht einmal ich habe gewagt, mich ihr zu nähern, Gott möge mir meine Schwäche verzeihen. Meiner Tochter hat sie eine Mitgift geschenkt, damit sie einen Reitknecht des Grafen von Toulouse heiraten konnte, und meinen Sohn zu ihrer Tochter Marian geschickt, deren Gemahl er jetzt dient.«
»Ja, sie war immer äußerst großzügig.«
»Bis zum letzten Augenblick. Sie hat allen Besitz unter den Ärmsten unserer Gemeinschaft verteilt. Euch … Euch hat sie geliebt und von Euch stets als ihrem ›guten Julián‹ gesprochen.
Sie hat mir ausdrücklich aufgetragen, Euch aufzusuchen und Euch das zu sagen. Außerdem soll ich Euch in ihrem Auftrag bitten, äußerst vorsichtig zu sein und so bald wie möglich dafür zu sorgen, dass Doña Marian die Chronik bekommt.«
»Ich wüsste nicht, wie ich das anstellen soll…«, klagte Julián.
»Ich überbringe sie ihr selbst.«
»Ihr?«
»Ich bleibe nicht lange hier, nur bis Ihr das Werk beendet habt. Ich habe Euch ja bereits gesagt, dass meine Kinder am Hof Graf Raimonds in Sicherheit sind. Ich hoffe, mir künftig in ihrer Nähe meinen Unterhalt verdienen zu können. Hier … würde ich den Geruch nach dem verbrannten Fleisch der Guten Christen nie los.«
Obwohl ihm Bruder Julián nicht versichern konnte, dass er die Chronik so rasch beenden werde, vereinbarten sie, dass der Hirte drei Tage später noch einmal kommen solle.
Er verschwieg dem Hirten, dass er Bruder Ferrer mehr denn je fürchtete. Obwohl er die Chronik gut versteckte, hatte er große Sorge, der Inquisitor könne sie entdecken, denn dieser hatte sich angewöhnt, ohne Ankündigung in seinem Zelt aufzutauchen.
Bruder Julián witterte Ferrers Misstrauen, und dieser wiederum witterte Juliáns Angst.
14
Mit dem Ruf »Bruder Julián, Bruder Julián!« kam Bruder Péire ins Zelt gestürzt.
»Was gibt es?«, erkundigte sich dieser. Er wollte gerade zu den Verhören aufbrechen.
»Bruder Ferrer hat angeordnet, dass Euer Freund, der Hirte, in Gewahrsam genommen wird.«
Erneut übermannte den Dominikaner die Übelkeit, die ihn immer überfiel, wenn er Angst hatte, doch er überwand sich und eilte zum Inquisitor, ohne zu wissen, woher er den Mut dazu nahm.
Die Hände des Hirten waren auf dem Rücken zusammengebunden, und Julián sah sogleich, dass man ihn übel ausgepeitscht hatte.
»Was geht hier vor sich? Was wirft man dem Mann vor?«
Bruder Ferrer sah ihn ungläubig an. Er hatte den kleinen Mönch stets als Feigling betrachtet, außerstande, für sich selbst einzutreten, geschweige denn für andere.
»Kennt Ihr den Mann?«, fragte er ihn voll Argwohn.
»Jeder hier im Lager kennt ihn, selbst der Seneschall, dem er volle neun Monate hindurch Milch und guten Käse geliefert hat. Auch Ihr müßtet ihn kennen.«
»Er hat alle getäuscht«, stieß Bruder Ferrer hervor.
»Inwiefern?«
»Er ist ein Ketzer, einer von denen, die sich in Verhöhnung unserer Religion als Gläubige bezeichnen.«
»Unmöglich«, brachte Julián heraus, wobei er den Hirten angstvoll ansah.
»Wir wissen das von einer Bäuerin. Sie hat uns gesagt, dass er Botschaften aus der Burg heraus- und in sie hineingeschmuggelt und unser Lager ausspioniert hat.«
»Und das glaubt Ihr?«
»Welche weiteren Beweise braucht Ihr denn noch, um ihn wegen Hochverrats zu verurteilen?«
»Haben wir denn Beweise? Eine Frau beschuldigt ihn – was außer ihren Worten hat sie noch aufzubieten?«
»Das genügt«, fertigte ihn Bruder Ferrer ab.
»Das finde ich nicht. Jeder kann alles Beliebige über einen Mitmenschen sagen – sei es, weil er ihm etwas heimzahlen möchte, seine eigene Haut retten will, oder auch um sich bei Euch einzuschmeicheln.«
»Nehmt Ihr diesen Mann etwa in Schutz? Aus welchem Grund?«
Die sadistische Freude in den Augen des Inquisitors war unübersehbar, und der scharfe Ton in seiner Stimme ließ Bruder Julián zittern.
»Man kann sehr leicht feststellen, ob es sich um einen Häretiker handelt«, sagte Bruder Julián und nahm das Kruzifix ab, das er um den Hals trug. »Lasst ihn
Weitere Kostenlose Bücher