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Das Blut der Unsterblichen

Das Blut der Unsterblichen

Titel: Das Blut der Unsterblichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Saamer-Millman
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die grauen Strähnen waren fort. Sie befühlte ihr Gesicht, betrachtete es von allen Seiten, bis sie von einem schmerzhaften Brennen in ihrem Magen daran erinnert wurde, dass sie Hunger hatte. Schnell kleidete sie sich an.
    Marcus wartete vor der Tür auf sie. „Wollen wir gehen?“
    Sie nickte und folgte ihm in den Flur hinaus. Im Foyer wurde ihr Blick von dem schlafenden Rezeptionisten angezogen. Er saß hinter dem weitläufigen Tresen, sein Kinn war auf die Brust gesunken und er schnarchte ein wenig.
    Kristina starrte ihn an. Wie eine Flutwelle überspülte sie sein Geruch. Ihre Nasenflügel blähten sich. Tief sog sie die Mischung aus Bügelstärke, Kernseife und Blut ein und eine unbekannte Gier erfasste sie. Sie roch ihn, roch sein Blut, wie es in einem endlosen Kreislauf durch seinen warmen Körper strömte, angetrieben von den rhythmischen Kontraktionen seines Herzens. Ihr lief das Wasser im Mund zusammen, in ihren Eingeweiden wütete eine Feuersbrunst. Sie schluckte schwer und versuchte, den Blick von dem jungen Mann loszureißen, doch stattdessen ertappte sie sich dabei, wie sie sich ihm näherte. Für einen Augenblick sah sie nicht mehr den Menschen in ihm, sondern nur noch die Beute. Sie wollte sein Blut, unbedingt. Unter enormen Druck befreiten sich ihre Fangzähne aus ihrem Gefängnis aus rosafarbenem Fleisch.
    Marcus fasste Kristina am Arm und zog sie weiter. „Du musst lernen, dich zu beherrschen“, flüsterte er ihr zu.
    Kristina wollte aufbegehren, sich wütend aus seinem Griff befreien, doch er zog sie unbarmherzig weiter. Noch war sie zu schwach, um sich erfolgreich gegen ihn zu wehren.
    In der Tiefgarage stieg sie schmollend in den Wagen. Erst als Marcus losgefahren war, wurde ihr bewusst, was sie da beinahe getan hätte. Schockiert sah sie ihn an.
    „Hast du dich wieder im Griff?“, fragte er und grinste wissend.
    „Ich bin entsetzt über das, was ich da beinahe getan habe. Ich war im Begriff, diesen armen Mann anzufallen. Wenn du nicht dabei gewesen wärest, dann hätte ich es getan.“ Fassungslos schüttelte sie den Kopf. „Ich wäre zu einer Mörderin geworden.“
    Er legte tröstend eine Hand auf ihren Arm. „Gräme dich nicht. Das passiert jedem Unsterblichen nach der Verwandlung. Der Blutdurst ist anfänglich noch schwer zu kontrollieren. Unter anderem aus diesem Grund ist es auch so wichtig, dass jeder Verwandelte einen Mentor hat.“
    „Ich will aber kein Monster sein“, entgegnete Kristina.
    „Du bist kein Monster. Auch ich habe schon einen Menschen im Affekt getötet, bin ich deswegen in deinen Augen ein Monster?“
    „Ein Unsterblicher tötet Menschen, unschuldige Menschen “, stieß sie entsetzt hervor.
    „Das wusstest du“, erwiderte Marcus.
    „Ja, aber erst jetzt wird es mir wirklich bewusst.“
    Nachdenklich schaute sie aus dem Fenster. Sie war jetzt eine Unsterbliche, ein Vampir, eine Blutsaugerin und damit eine potenzielle Mörderin. Hatte sie das gewollt? Hatte sie auch nur einen einzigen Gedanken an die Konsequenzen verschwendet? Was war noch menschlich an ihr, wenn sie unkontrolliert über ihresgleichen herfiel und ihr Blut trank?
    „Was geschieht, wenn ich mich weigere, Blut zu trinken?“, fragte sie.
    Marcus warf ihr einen strengen Blick zu. „Du musst dich nähren, Kristina. Du brauchst das Blut, so wie ein Mensch Essen und Trinken braucht.“
    „Aber was geschieht, wenn ich mich weigere? Was passiert dann mit mir?“
    „Dann wirst du sterben“, erwiderte er. „Verhungern. Langsam und qualvoll.“
    Sie blickte ihn nachdenklich an, betrachtete sein markantes Profil. Es war ganz allein ihre Entscheidung. Niemand konnte sie dazu zwingen, Blut zu trinken. Sie wandte den Kopf wieder zum Fenster. Nicht weit entfernt konnte sie den Richmond-Park erkennen.
    Marcus fuhr auf den Parkplatz, stoppte den Wagen und sah sie an. „Nicht alle Unsterbliche sind Mörder, die Meisten versuchen die menschlichen Verluste so gering wie möglich zu halten oder jene zu töten, die für die menschliche Gesellschaft nur eine Last sind.“
    Kristina schnaubte. „Wie könnt ihr euch anmaßen, darüber zu entscheiden, wer leben darf und wer sterben muss?“
    Marcus Blick wurde hart. „Kristina, es gibt die Sterblichen und es gibt die Unsterblichen. Sie leben nebeneinander aber nicht miteinander. Die Gesetze der Menschen sind nicht allgemeingültig. Wir haben eigene Regeln und Gesetze. Wer will entscheiden, welche besser oder richtiger sind?“
    „Das klingt vernünftig und

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