Das Blut des Adlers 2 - Licht über weissen Felsen
Element. »Byron Bighorn, hast du in unserer Schule gelernt, so gut auswendig zu behalten?«
»Nicht nur in der Schule, Mister Temple. Das lehrte mich schon mein Vater, damit ich die Geschichte unseres Stammes nicht vergesse und auch nicht seine Weisheit.«
Stolz sah Wakiya die Richter und die Geschworenen an. Seine Stimme hatte zuweilen noch hell, zuweilen schon tief geklungen. Er wirkte älter als er war, lang aufgeschossen, erzogen im Kampf mit Leid und Krankheit, früh erfahren. Es gab nur wenige im Saal, die von diesem Kind nicht beeindruckt waren, aber vielleicht nur einen Einzigen, der Wakiya ganz verstand.
Bill Temple forschte weiter. »Warum bist du mit deinen Sorgen gerade zu Mister Ball gegangen?«
»Weil er mein Klassenlehrer ist.«
Byron Bighorn hätte auch sagen können: Weil er meinem Wahlvater Joe King einen freundlichen Brief geschrieben und ihm gedankt hat, daß er mich aufnahm und gut erzieht. Aber das sagte der Bub nicht, denn unter Schulschlangen, so dachte er, mußte man seinen Schulschlangenkopf aufsetzen.
Wakiya fühlte, wie Joe King unentwegt auf ihn blickte. Das war die Wirklichkeit aller seiner Träume.
Ed Crazy Eagle nahm das Wort. »Byron, warum hast du nicht Mary Booth gebeten, ihre Worte selbst dem Gericht zu sagen? Warum so viele Umwege?«
»Weil Mary Booth von ihrem Vater bedrängt wurde, und ich wußte nicht, ob sie Mut genug hat, bei der Wahrheit zu bleiben. Ich wollte ihr helfen, bei der Wahrheit zu bleiben. Auch Isaac Booth kennt die Wahrheit.«
Isaac Booth fuhr auf, öffnete den Mund jedoch nicht. Wakiya wurde zunächst aus der Befragung entlassen.
Als er sich wieder an seinen Platz setzte, war die Bewegung allgemein, doch blieb sie lautlos, und der Richter hatte keinen Grund, nochmals zu mahnen.
Bob und Alex wurden vereidigt.
Der Gerichtspräsident fragte. »Bob Thunderstorm, haben Sie ' etwas davon wahrgenommen, daß Isaac Booth seine Tochter Mary bedrängte, um sie von einer wahren Aussage abzuhalten?«
Bob öffnete und schloß die Faust, er war verlegen, alle mußten es bemerken. Die Wellen der Autorität des Gerichtspräsidenten, der Autorität des alten Isaac Booth schwangen durch den Raum, wirkten auf ihn und wurden in seiner Haltung und seinem Ausdruck für jedermann sichtbar. Lehrer Balls Ansehen war dagegen durch den Angriff einer Gerichtsperson verblaßt. Bob mochte wieder zweifeln, ob er recht getan habe, sich ohne Marys Einwilligung einzumischen. Er war sein Lebtag ein gehorsamer Sohn und Schüler gewesen. Die Frage kam ihm zudem unerwartet, er hatte sich innerlich nicht darauf vorbereitet, und er war zwar immer zuverlässig, aber auch immer langsam im Denken und im Sprechen gewesen.
»Nun, Bob Thunderstorm! Sagen Sie endlich die Wahrheit.«
Bob raffte sich auf. »Gerne hat Mister Isaac Booth nicht gehört, was Mary sagte.«
»Hat er seine Tochter Mary bedrängt?«
»Er hat nicht gewollt, daß das Andenken des toten Harold weiter beschmutzt wird. Er hat gesagt, sie solle das nicht tun.«
»Wieso >weiter< beschmutzt?«
»Nun, ein Verleumder und ein Pferdedieb ist Harold ja gewesen. Das war bewiesen. Und getrunken hat er auch.«
»Danach sind Sie nicht gefragt, Bob.«
Bob Thunderstorm setzte sich wieder. Seine Verlegenheit hatte die meisten gegen seine Aussagen eingenommen.
Die Vernehmung von Alex Goodman ergab nichts Neues.
Mary kam an die Reihe. Bei Beginn der Verhandlung hatte sie krumm gebückt auf ihrem Stuhl gesessen. Jetzt stand sie grade und schaute weder nach rechts noch nach links. Die Spannung verbot jedes Geräusch im Saal. Auf die Belehrung des Richters hin entschied Mary sich nach einem langen Schweigen, den Zeugeneid zu leisten.
Sidney Bighorn, Vertreter der Anklage, ließ sich wieder das Wort geben. Er begann leise, so daß alle aufmerken mußten, um ihn zu verstehen.
»Miss Booth, Sie sind schon einmal unter Eid zur Sache vernommen worden. Damals haben Sie von einer Szene zwischen Ihnen und Ihren Eltern und von dem angeblichen Geständnis Ihres verstorbenen Bruders nichts erwähnt.«
»Ich bin nicht danach gefragt worden.«
»Es hätte auch schwer gehalten, Sie nach etwas zu fragen, wovon niemand etwas ahnen konnte. Es wäre Ihre Pflicht gewesen, von selbst zu sprechen.«
Mary sagte dazu nichts.
Sidney Bighorn hob die Stimme. »Ich müßte Ihnen vorwerfen, daß Sie unter Eid fahrlässig ausgesagt haben. Es handelt sich um Ihren Bruder, das ist ein mildernder Umstand. Sie hätten auch die Aussage verweigern können. Aber das
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