Das Blut des Adlers 2 - Licht über weissen Felsen
erschüttert, als Ihr Sohn sein Geständnis ablegte?« »Himmel, der Junge war verzweifelt und so betrunken.« »Daß Sie ihn als Mutter trösten wollten?«
»Es hat ja sonst keiner mehr mit ihm gesprochen. Er war verzweifelt... und... so betrunken.« Frau Booth begann zu schluchzen. »Danke.« »Joe King.«
Der Aufgerufene erhob sich.
»Warum haben Sie den Schußwechsel und die aufgefundenen verstümmelten Leichen sowie die Tatsache, daß Ihr Pferd erschossen worden war, nicht sofort gemeldet? Sie sind das schon einmal gefragt worden. Ich frage Sie nochmals.«
»Auf diese Frage verweigere ich die Aussage.«
Die Stimme war heiser.
Auf der Stirn des Gerichtspräsidenten schwoll wieder die Zornesader. Die Geschworenen wurden unruhig. Auch ihr Selbstbewußtsein war verletzt. In Wakiya stieg die Angst auf. Auf Marys Stirn stand Schweiß. Sie wischte ihn nicht ab.
»Mit dieser Haltung schaden Sie nur sich selbst, Joe King.«
Der Richter wollte offenbar weiter sprechen. Er legte aber eine Pause ein, um die Wirkung seiner folgenden Worte zu verstärken. »Es liegt eine schriftliche Aussage vor, daß Sie bei dem Zusammentreffen sonderbarer Umstände und ohne einen verläßlichen Zeugen gefürchtet hätten, ungerecht verurteilt zu werden.«
»Es wäre nicht das erstemal gewesen.«
Das war kurz und schnell gesprochen, wie ein Schuß.
Richter und Geschworene kauten an den Lippen. Sie waren getroffen.
»Verstehen Sie, daß ein unzutreffendes Urteil auch dadurch zustande kommen kann, daß der Angeklagte das Gericht absichtlich im Dunkel über Motive und Vorgänge läßt?«
»Ich verstehe.«
Auf Anordnung des Richters Crazy Eagle, dem der Präsident nicht widersprach, wurden Joe King die Handschellen abgenommen. Er änderte seine Haltung nur wenig, und kaum jemand bemerkte seine psychische und körperliche Erschöpfung.
»Wären Sie bereit, Mister King, Ihre Aussage in der früheren und heutigen Verhandlung auf Eid zu nehmen?«
»Ich war es und ich bin es.«
»Sie haben das Recht, noch Ihrerseits Fragen zu stellen oder sich selbst zu äußern.« »Ich verzichte darauf.« Das Gericht zog sich zur Beratung zurück.
Joe King blieb unter Bewachung der beiden Polizisten im Saal. Er schaute wieder nach dem Fenster, durch das die Sonne jetzt tiefer in den Raum eindrang, und Wakiya schaute unentwegt auf seinen Wahlvater, während er still auf seinem Stuhl zwischen Bob und Alex saß.
Mary rührte sich nicht. Ihren Eltern fremd geworden, saß sie noch immer da wie aus Stein; niemand suchte ihre Augen und niemand hätte sie finden können. Nach einer Stunde kamen Richter und Geschworene zurück. Joe erhob sich.
Ed Crazy Eagle gab bekannt, daß die Geschworenen auf >unschuldig< erkannt hätten, und begründete, daß das erste Urteil nach Stammesrecht aufgehoben sei. Joe King war für Handeln in Notwehr freigesprochen.
Der Richter hob die Anordnung des Strafvollzuges auf.
Joe King konnte gehen. Im Gefängnisraum hatte er Gelegenheit, sich umzuziehen. Er wunderte sich über die Pistolen, überprüfte und lud sie gewohnheitsmäßig und nahm den Halfter um.
Wakiya stand schon auf der Straße, etwas abseits, weil er zu schüchtern und zu erregt war, um sich vorzudrängen. Mr.
Whirlwind lief an ihm vorbei zu seinem Wagen und startete lauter als nötig. Vater Isaac Booth führte seine Frau, ungeschickt, weil er sie wahrscheinlich noch nie in seinem Leben geführt hatte. Er schob sie auf den Hintersitz des alten Studebaker und fuhr mit ihr davon. Sicher würde er nie wieder auf die Reservation kommen. Alex, Bob und Mary erschienen, endlich auch Joe. Er verabschiedete sich von Ball, sah sich um, entdeckte Wakiya und ging auf ihn zu.
»Wohnst du noch bei uns, Wakiya?«
»Ja.«
»Hast du mir die Pistolen mitgebracht?« »Ja.«
»Wie fährst du heim?«
»Mit Tante Mary in dem Wagen, den vielleicht Noah schon gebaut hat, als er zu seiner Arche fahren wollte.«
»Nehmt ihr mich mit?«
»Wir nehmen dich mit.«
Auf der Ranch fanden sich zunächst alle in Marys Haus zusammen, und sie machte das Essen zurecht. Es gab Schmalznudeln, die keinem schmeckten. Mary selbst hatte sich keinen Teller hingestellt. Blaß, gespannt, feindselig tastete sie mit ihren Blicken Joes Miene ab. Nach dem Essen hielt sie nicht mehr zurück.
»Nun sag mir nur dies eine, Joe - war das nötig, daß du denen alles auf dem Teller serviert hast, was sie brauchten - Schußwechsel und Tote? Bist du ein Beichtkind oder bist du Joe King? Wir hätten uns
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