Das Blut des Adlers 2 - Licht über weissen Felsen
hellblauen heißen Sonntag, saß Wakiya am Grabe des alten Häuptlings. Er war mit diesem Platz nun ganz vertraut. Die Gräser neigten sich und grüßten, wenn er kam. Die Adlerfedern spielten mit dem warmen Wind.
Die Straße lag leer. Weiß grüßten die Berge von jenseits des Tals herüber. Ein Büffel brüllte. Hier an diesem Platz hatte Wakiya mit Untschida gesessen, mit Tashina und mit Inya-he-yukan. Hier versammelte er seine Gedanken und Träume um sich; die Stille in seinem Innern war wie ein Becken, das sich mit neuer Kraft füllte.
Als es Mittag geworden war, sah er, wie Inya-he-yukan sein Sportcabriolet den Feldweg hinuntersteuerte und den Wagen auf der Straße im Tal beschleunigte. Er fuhr Tashina entgegen.
Wakiya-knaskiya aber wußte nicht, ob sein Bruder Hanska in den Ferien heimkommen durfte. Er hatte lange nichts von ihm gehört. Er war auch schon lange nicht mehr bei seiner Mutter daheim gewesen.
Joe King fuhr die leere Straße in mäßigem Tempo. Er passierte die Agentursiedlung, die an Sonntagen immer wirkte, als seien ihre Bewohner ausgestorben. Büros und Gericht, Supermarket und Frisörladen waren geschlossen. Die Familien liebten es, sich in den Zimmern zu erholen, die nicht der Straße zu lagen. Es gab ein Cafe mit billigem Büfett und angeschmutzten Stehtischen für die indianischen Besucher; am Sonntagnachmittag blieb es geschlossen. Kino oder Theater waren auf der Reservation nicht zu finden.
Joe ließ die Siedlung hinter sich und fuhr die Straße durch die einsame Prärielandschaft in Richtung New City. Er kannte diese betonierte Straße, alle ihre Kurven im Schlaf. Tücken hatte sie nicht; sie war eine Art von wohlsituierter Straße, im Grunde langweilig. Überraschungen konnten sich auf ihr, aber nicht durch sie ergeben. Zum Wettfahren war sie sehr geeignet, aber heute lagen ihre diesbezüglichen Vorzüge brach. Verkehr gab es immer nur wenig und an einem solchen Sonntag so gut wie gar nicht. Joe hatte dennoch beide Hände am Lenkrad. Er war gewohnt, auch in der scheinbar sichersten Lage Unsicherheiten einzukalkulieren.
Es wäre ihm Zeit geblieben, seine Erinnerungen an Fahrten mit Queenie zusammen wachzurufen, doch liebte er weder den täuschenden Glanz der Vergangenheit noch gute Vorsätze. Sein Grundgefühl ging dahin, daß ihm Kampf bevorstand. Er hatte Queenie hart verabschiedet; hart war der Abschied auch für ihn selbst gewesen. Er wußte nicht, wie seine Frau wiederkam, aber er wußte, daß sie ihm halb entglitten gewesen war, und daß man sie ihm weiter zu entfremden trachtete. Er wollte sie aber zurückgewinnen. In den Jahren, in denen Joe als Tramp und Gangster gelebt hatte, hatte er unter vielen Frauen, die sich um einen gut gewachsenen, verwegenen und nicht leicht zugänglichen Mann bewarben, drei an sich gezogen; als letzte eine junge Negerin mit einem Körper wie eine ebenholzfarbene Schlange und klugen Gedanken im Kopf. Aber auch sie konnte er mit Tashina nicht vergleichen. Seine Leidenschaft für Tashina war groß und ständig, und er liebte mehr an ihr als die Nächte, in denen sie einmal vollkommen für ihn gewesen war.
Der Kampf um diese Frau stand ihm zum zweitenmal bevor. Das erstemal hatte er gesiegt. Was jetzt geschehen würde, konnte er nicht wissen. Er konnte sich nur bereit halten. Das Spiel der Gefühle war ebensowenig vorauszuberechnen wie das Spiel mit Waffen, dessen Gesetze ihm so vertraut waren.
Queenie hatte sich ihm entzogen und ein Jahr fern von ihm gelebt. Er zweifelte nicht, daß sich unter den Künstlern viele gefunden hatten, die ihr schmeichelten und sie begehrten, und er war sich ihrer Standhaftigkeit nicht vollkommen gewiß. Er mißtraute ihr. Das Mißtrauen saß tief in ihm, und es konnte nicht durch einzelne Beweise aufgehoben werden, da es auf das Wesen ging, das ihn doch zur gleichen Zeit unwiderstehlich anzog.
Während Queenie fern war, hatte Joe eine Nacht mit Mary verbracht. Die muskelstarke Rancherin hatte seine Sinne nie gereizt, aber ihre Einsamkeit hatte sich an ihn gedrängt, und da sie um seinetwillen auf Vater und Mutter verzichtet hatte, war er ihrem unausgesprochenen Wunsche zu Willen gewesen. Es hatte ihm davor gegraut. Aus dem nach Liebe überhungerten und in Arbeitsnüchternheit verkrusteten Mädchen war eine ungeschickte Zärtlichkeit hervorgequollen, die ihn fast von der Bettstatt und endlich zur Wut trieb. Als das Weib in ihr mit dem Widerstand eines Wildtieres erwachte, empfand er aber das Ursprüngliche
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