Das Blut des Adlers 2 - Licht über weissen Felsen
und noch nicht Erlebte, auch von keinem als eben von ihm selbst zu Bezwingende. Das Gefühl der Einmaligkeit war ihm geblieben und nicht in der geringsten Spur die Empfindung eines Unrechts. Wer Mary angriff, traf auf Joe King.
Sie trug sein Kind, ohne ihn besitzen zu wollen. In Queenie hatte immer eine verborgene Eifersucht auf Mary gelebt. Joe hatte weder im Wachen noch im Traum ein Bild davon, wie sich seine Frau jetzt verhalten würde. Wenn sie die Hilflosigkeit und die ungefüge Kraft Marys verspottete, war er imstande, sie zum zweitenmal aus dem Hause zu treiben.
Der Gangster und seine Hure.
Joe würde entdecken, wer diese Worte geschrieben hatte. Nicht heute oder morgen, aber eines Tages oder eines Nachts begegnete er dem Burschen. Vielleicht ließ er ihm noch Zeit, ein Vaterunser zu beten. Wenn der Kerl nur imstande war, sich mit der Waffe zu stellen! Joe hoffte, daß es keine Frau war. Frauen mochte er nicht töten. Es hatte ihm immer davor geschaudert, auch einst im Bandenkampf gegen Amazonengangs. Er dachte zuweilen noch an jene Nächte, wenn er auch nie darüber sprach. Er versuchte, die Bilder im Flusse des Vergessens zu ertränken. Doch schienen die Fratzen unsterblich, und unerwartet tauchten sie auf.
Joes Gedanken gingen wieder zu Queenie. Er kannte sie zu wenig. Es war ihm nicht gelungen, die Wurzeln auszugraben, aus denen ihre Gedanken und Handlungen hervorgingen. Das war ihm bewußt, aber seine Leidenschaft und sein Wille zu herrschen nahmen ihm die Geduld zu verstehen. Queenie kannte Joe noch weniger als er sie. Er hatte ihrer Liebe und Opferbereitschaft gehört, dann teilten sich ihre Kräfte und ließen nach, und sie wollte Joe in das Gemüsebeet ihres Verzichtfriedens einpflanzen, um ihn weiter für sich allein und ihre Kinder zu besitzen und den reuigen Sünder zu pflegen. Er war aber kein Gemüse, und er bereute nicht. Er konnte auch nicht einfach als Rancher leben, nicht einmal als Erfolgsrancher. Er mußte Pläne machen und durchsetzen, Pläne für andere, Erfolge für andere. Er war nicht nur Joe King, er war ein Indianer, und er wollte einen Durchbruch anführen. Queenie hatte ihr verwaistes Gemüsegärtlein nun auch liegen- und stehengelassen und war weit fort auf die Kunstschule gegangen. Ohne ihre Kinder.
War das schlechter?
Was war aus ihr geworden?
Man würde ja sehen.
Joe hatte mit seinem Cabriolet New City erreicht und parkte bei der Busstation.
Da Zeit genug blieb, ging er in das kleine Selbstbedienungsrestaurant, das der Busgesellschaft gehörte, nahm eine Tasse Kaffee und ein belegtes Brot und warf dabei einen Blick auf die zum Verkauf ausgestellten Ansichtskarten. Das Bild eines braunen faltig-zusammengeschrumpften Gesichts hatte seine Aufmerksamkeit eingefangen. Eingefallener Mund, alt gewordene, für andere undurchsichtig verglaste Raubvogelaugen, rotes Stirntuch um graues Haar, das war Red Sleeves, Waren- und Menschenschmuggler. Joe kannte ihn.
Er kaufte die Karte und las den Text auf der Rückseite: »Red Sleeves - Porträtstudie von Queenie King.«
Den berühmten Namen Red Sleeves hatte der Alte gestohlen, und Queenie war auf dieses Manöver natürlich hereingefallen.
Joe lächelte in sich hinein und steckte die Karte in seine Brieftasche. Er hatte bei dem Alten einmal mit seinem Boss Mike zusammen im Keller geschlafen, als er Mike über die mexikanische Grenze fahren mußte. Nun verdiente sich der Gauner offenbar auch noch Geld als Modell für Kunstschüler.
Schlau war er, der eingefleischte Hasser alles dessen, was eine weiße Haut trug oder damit verbunden schien.
Joe setzte sich wieder in seinen Wagen und rauchte eine Zigarette.
In einer Viertelstunde hatte der Bus fahrplanmäßig einzutreffen. Joe wurde sich bewußt, daß Wakiya-knaskiya ihn hierher geschickt hatte. Ohne die Sicherheit des Kindes hätte er sich vor sich selbst geschämt, an Queenies Eintreffen heute zu glauben. Vor Wakiya hatte er sich geschämt, etwa nicht darauf zu vertrauen.
Gleich, ob Tashina kam oder nicht kam, es wurde alles noch ärger oder alles besser. Ohne Wirkung blieb sie nicht.
Während Joe King wartete und rauchte, saß Queenie an einem Fensterplatz des großen Busses und begrüßte seit Stunden immer von neuem und immer inniger die weite, baumlose, hitzegequälte, halb stauberstickte Landschaft, die ihre Heimat war. Wie weit und groß! Wie einsam und gleichförmig. Auslaufend zu dem Horizont, an dem der waldige Bergstock sich erhob.
Sie fuhr heim zu Inya-he-yukan. Ein
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