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Das Blut des Adlers 2 - Licht über weissen Felsen

Das Blut des Adlers 2 - Licht über weissen Felsen

Titel: Das Blut des Adlers 2 - Licht über weissen Felsen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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entzündete mit einem Schnippen des Daumennagels ein Streichholz, alter Scherz der Cowboys und Holzfäller, und brachte eine Kerze zum Brennen. Die Flamme brannte ruhig, von vielen Schatten umgeben. Mary fuhr sich mit der Hand über die Augen. Aus ihren Zügen war die Nüchternheit gewichen, die alle seit Jahren an ihr gewohnt waren; ein schüchterner Glanz breitete sich über das Gesicht.
    »Ich werde also ein Kind haben, Joe. Einen Vater braucht es nicht. Ich werde selbst damit fertig.«
    Mary hatte eine feuchte Hand, aber sie lächelte jetzt.
    »Vater und Mutter und Bruder und Schwester hat Mary Booth nicht mehr, aber ein Kind wird sie haben.«
    Vor Joe lagen Papiere auf dem Tisch, ein Brief in ungelenker Handschrift, drei amtliche Briefe und ein kleiner beschriebener Zettel aus kariertem Papier. Er spielte damit, vielleicht nur, um sich abzulenken, vielleicht auch, um den Inhalt der Briefe zu überlegen. Schließlich schob er Mary den Zettel zu, ohne sie dabei anzusehen.
    Sie nahm den Zettel mit jenem Mißtrauen, das sie von je gegen alles Geschriebene hegte, und las langsam Buchstaben für Buchstaben, Wort für Wort.
    »Der Hure des Joe King werden wir unsere Kinder nicht länger auf die >Schulranch< geben. Wir holen sie wieder weg von dem Gangster und seiner Hure.«
    Mary schob den Zettel fort und tastete auf dem Tisch wie ein Tier, das die Stäbe eines neuen ausweglosen Käfigs abtastet. Sie räusperte sich, denn der Hals war ihr rauh, als ob ihr jemand Sand hineingestopft habe.
    »Wer der Vater ist, wird von mir nie einer erfahren.«
    Joe gab ihr stillschweigend den ungelenk geschriebenen Brief und die drei amtlichen Umschläge. Sie las zuerst den mit großen Buchstaben geschriebenen Brief. Er kam von dem alten Goodman und war an Joe gerichtet. Er war ohne orthographische Fehler geschrieben, also von einer Vorlage abgeschrieben oder diktiert. »Joe King - King-Ranch.
    Seit zwei Jahren arbeitet mein Sohn Alex bei Dir als Cowboy. Alle Arbeiten tut er. Auch bei den Büffeln. Aber Du hast ihm nicht den Lohn gegeben, den er haben muß, sondern nur das schlechte Essen und die schlechten Kleider und ein paar Dollar Taschengeld. So hast Du es auch mit Bob Thunderstorm gemacht. Deshalb klage ich gegen Dich, und Du mußt den Lohn von zwei Jahren nachzahlen, und man wird ja sehen.
    Goodman senior, Bearground«
    Die amtlichen Umschläge enthielten je ein Schreiben. Mary faltete sie auseinander. Ihre Augen waren trocken geworden und schmerzten. Aber sie las Buchstaben für Buchstaben und Wort für Wort.
    Das erste Schreiben war von dem stellvertretenden Superintendent Nick Shaw unterzeichnet.
    »Joe King.
    Hiermit laden wir Sie zu einer Aussprache und einem Schiedsverfahren vor, betr. eine Klage wegen vorenthaltenen Lohnes für Alex Goodman und Bob Thunderstorm. Finden Sie sich am 5. Juli um 10h auf der Superintendentur ein.«
    Das zweite Schreiben kam vom Wohlfahrts- und Sozialwesen.
    »Leider sind wir auch dieses Jahr noch nicht in der Lage, Ihnen das für Sie vorgesehene neue Haus zuzuteilen. Wir müssen einer kinderreichen Familie den Vorzug geben.
    Der Superintendent.«
    Das dritte Schreiben trug die Unterschrift von Eve Bilkins, Dezernent für das Schulwesen.
    »Auf Grund ihrer ausgezeichneten Leistungen erhält Ihre Frau, Queenie King geb. Halkett, ein Stipendium zur weiteren Ausbildung ihrer künstlerischen Fähigkeiten für zunächst drei Jahre. Im ersten Jahr wird sie ihre theoretischen Kenntnisse auf einem College vervollkommnen. Ihre Frau ist bereits informiert.«
    Nachdem Mary alles gelesen hatte, faltete sie die Papiere wieder sorgfältig zusammen und schob sie an den Platz vor Joe zurück.
    Joe stand auf und verschloß sie in dem festen Kasten, in dem sich auch die Munition befand.
    »Geh jetzt hinüber, Mary, und schlafe. Vielleicht fällt dir im Traum ein, was man noch tun kann, wenn eine Falle am Zuschnappen ist.«
    Mary erhob sich schwerfällig und verließ das Haus.
    Joe war in Hosen und barfuß. Auf seiner Brust waren die Narben des Sonnenopfers zu sehen. Er löschte die Kerze und warf sich neben Wakiya auf das Holzgestell. Der Junge war noch wach gewesen oder wieder wach geworden.
    »Inya-he-yukan!«
    »Schlaf, Wakiya-knaskiya.«
    »Morgen abend kommt Mutter Tashina heim.«
    »Woher weißt du das?«
    »Gestern früh konnte sie abfahren, eher nicht, also kann sie erst morgen abend mit dem Bus in New City sein.«
    »Wenn sie jetzt die Nacht hindurch fährt.«
    »Ja.«
    Am nächsten Morgen, einem

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