Das Blut des Adlers 2 - Licht über weissen Felsen
anderes Gefühl hatte sie nicht. Sie machte sich keine Gedanken darüber und keine Bilder davon, wo sie ihm zuerst wiederbegegnen würde.
Aber als der Bus hielt und sie den Wagen stehen sah, in dem ihr Mann saß, packte die Erwartung sie mit starken Armen, und sie atmete kürzer.
Begrüßungsszenen auf offener Straße waren nicht indianische Sitte. Queenie ging mit ihrem Köfferchen zu dem Wagen hin, dessen Motor schon lief. Joe hielt die Tür offen, und sie stieg ein. Dabei hatten sich ihre Augen noch nicht getroffen, denn Queenie hielt die ihren gesenkt. Joe setzte den Wagen in Bewegung und fuhr durch die Stadt zu der Straße, die nach der Reservation führte. Nun waren sie beide allein mit dem Land.
Queenie sah die Hände am Steuer, wie sie sie beim Abschied und in hundert Träumen gesehen hatte, ehe sie sie malte.
Lieben und Töten, dachte sie, ruhig und schnell, hart und zart, Indianerhand, Menschenhand. Sie wollte unentwegt diese Hände sehen, denen sie zugehörte.
Die Agentursiedlung und ihre Wege lagen so still und leer in der beginnenden Nacht, wie sie am Mittag gewesen waren. Die Pracht der Sterne strahlte am Sommerhimmel auf. Als der Wagen in das Tal der weißen Felsen bog, atmete Queenie die Luft, die ihr entgegenstrich, tiefer. Aller Duft trockener Wiesen und dürren Holzes, den sie von Kind an gewohnt war, strömte in sie hinein.
Sie lächelte und hatte Tränen in den Augen, während Joe über die altbekannten Furchen des Feldweges der Blockhütte am Hang zusteuerte. Joe versorgte den Wagen, und Queenie schaute in der Nacht über Hang und Tal. Die Hunde schnüffelten und freuten sich, daß die zartere Herrin wiedergekommen war.
In der Hütte umarmte Tashina Untschida und Wakiya. Die Zwillinge klammerten sich an die wiedergekehrte Mutter.
Joe stand bei der Tür und sah zu.
Untschida hatte die Empfangsmahlzeit gerichtet, Mehl, mit Beeren gewürzt. Alle saßen zusammen an dem derben Holztisch. Es wurde noch nichts erzählt oder gesprochen. Queenie half Untschida abräumen und die Teller abwaschen. Es war Schlafengehenszeit. Untschida, die Zwillinge und Wakiya hatten sich zusammen eingenistet. Die zweite Bettstatt stand leer für den Hausherrn und seine Frau.
Queenie war verlegen.
Joe beobachtete ihr Zögern.
»Auf der Kunstschule wurde die junge Queenie weicher gebettet!«
»Es gibt Besseres als alle Kunstbetten der Welt, Inya-he-yukan. Gehen wir noch zusammen den Hang hinauf?«
Es hatte sich ein sanfter, kühler Wind erhoben, der das Blut zur Haut zu dringen reizte. Die Augen gingen weit auf, um aus dem nächtlichen Dunkel alles Licht aufzufangen. Auch Queenie lief barfuß; sie fühlte das Gras und die Erde. Neben ihr ging Inya-he-yukan, ein Schatten in der Nacht, aber nun lebendig geworden.
Queenie sang leise vor sich hin, ein altes Liebeslied ihres Stammes; sie wollte den Mann, den sie liebte, bezaubern. Die Schwingungen des jungen Menschseins spielten sich immer enger in den gleichen Rhythmus. Plötzlich riß Inya-he-yukan Tashina in seine Arme hoch und trat heftig zu. Eine Schlange war von ihrem Fuß aufgestört worden und hatte angreifen wollen. Tashina war erschrocken, nicht um ihrer selbst, sondern um ihres Mannes willen. Aber die Schlange lag mit zertretenem Kopf am Boden, und Inya-he-yukan trug seine Frau hinauf %u jenem Platz bei den Kiefern, wo Erinnerungen webten und sich zusammenknüpften.
Tashina legte den Kopf an die Schulter Inya-he-yukans. Er zog sie an sich, und sie fühlten nichts mehr, als daß sie einander gehörten. Sie waren wieder eins geworden. Alle Sterne am Himmel waren die ihren, als die Seligkeit sie umschloß und sie einen neuen Menschen schufen.
Auch nach dieser Nacht kam der Morgen. Wakiya in der Blockhütte wunderte sich, denn die zweite Bettstatt war noch immer leer. Er ging hinaus, um die Sonne zu begrüßen, die über den Kiefern auf der Höhe und den weißen Felsen leuchtete. Da entdeckte er das große büffellederne Zelt des alten Häuptlings. Über Nacht war es auf einmal wieder da. Die Decke, die den Eingang verschloß, wurde zur Seite geschoben, und Inya-he-yukan erschien, braunhäutig, nackt bis auf den alten kostbar gestickten Lendenschurz. Da stand er, so, wie Wakiya-knaskiya ihn zum erstenmal in seinem Leben an der Wasserstelle gesehen hatte. Stein hat Hörner! Sie würden ihn nicht zuschanden machen. In seinen Augen war wieder eigene Sonne. Wakiya konnte sich die seine zurückholen, wenn er sie brauchte. Der Bub hörte das Knistern des Holzes
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