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Das Blut des Adlers 2 - Licht über weissen Felsen

Das Blut des Adlers 2 - Licht über weissen Felsen

Titel: Das Blut des Adlers 2 - Licht über weissen Felsen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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als ob er selbst auch auf der Flucht sei, ebenso wie Wakiya vor dem Atem seiner Krankheit und wie Hanska vor dem, was er das Schulgefängnis nannte.
    Hanska klammerte sich an Inya-he-yukan.
    »Laß uns fortfahren, weit fort, Vater Inya-he-yukan, und wir wollen niemals mehr zurückkehren!«
    Joe war es, der jetzt erschrak.
    »Sollen wir Mutter Tashina und Untschida allein lassen, Hanska?«
    Die Kinderhände lösten sich ab. »Nimmst du sie denn nicht mit?!«
    »Sie müssen doch für die Pferde sorgen, für die Büffel, für die Kühe, für die Kälber und für deinen kleinen Bruder und die kleine Schwester.«
    Um Hanskas Mund zuckte es, enttäuscht, entfernt. Er lief weg.
    Inya-he-yukan schaute wieder nach den weißen Felsen. Hanskas Worte hatten ihn getroffen. Auch ihn drängte es zu fliehen, weit fort. Denn der Mann mit Maske und Handschuhen, das Gespenst dessen, was er einst gewesen war, hatte sich wieder vom Boden aus seinem Schlaf gelöst und verfolgte ihn. Gespenster waren nimmermüde. Aber das Herz eines Menschen konnte eines Tages versagen, wenn es niemanden fand, der ihm Ruhe und Hoffnung erhielt.
    Als die Sonne das nächste Mal aufging, stand Tashina am Hang und sah dem Wagen nach, der auf der breiten, grauen, plattgetretenen Schlange im Tal nordwärts fuhr. Sobald er entschwunden war, nahm sie das Sportcoupe des alten Inya-he-yukan, das nach dem Tode auf der King-Ranch geblieben war, und fuhr zu Crazy Eagle. Sie kam des Mittags in der Agentursiedlung an und fand den Richter auf der Bank im Garten, wie er zum Lunch sein Brot verzehrte. Die Vögel hatten sich müde gezwitschert. Es war warm und ganz still.
    »Du hast Sorgen, Queenie?«
    Ed sprach die Stammessprache. Er hatte sie erlernt. Sein Tonfall klang noch fremd, aber Tashina war dankbar, daß sie in ihrer Muttersprache angesprochen wurde.
    »Ja, Sorgen. Die Wellen des Erfolges plätschern um uns, aber ich weiß, daß das Wasser tief ist und verschlingen kann. Was soll ich tun, damit wir Hanska behalten? Mein Mann hat eine Wunde. Sie blutet. Von mir will ich nicht sprechen, Wambeli-wakan. Ich bin weicheres Holz und leichter zu biegen. Weiden brechen nicht im Sturm. Aber Hanska braucht ein Heim, sonst könnte ihn eines Tages die Krankheit seiner Mutter ereilen. Der Arzt hat es gesagt, doch will er nicht zu seinen Worten stehen. Er läßt mich allein.«
    »Tausende von Indianern sind gezwungen, ihre Kinder in die Internate fern der Heimat zu geben. Wird Inya-he-yukan es nicht ertragen? Wird Hanska nicht damit fertig werden? Hanska kommt ja nicht in eines der schlechten Internate, in denen unsere Kinder noch mißhandelt werden. Sein Internat ist gut geführt.«
    »Es ist eines der >guten< Gefängnisse, ja.«
    »Ich meine, dein Mann, Tashina, hat schon schwereren Schlägen getrotzt.«
    »Ja, aber nun ist es genug. Nur der letzte Schlag bricht den Baum, nicht die hundert vorher.«
    »Du bist selbst im Internat gewesen, Tashina, erst auf der Reservation, dann weit fort auf der Kunstschule. Ist es unerträglich gewesen?«
    »Nein. Auf der Reservation, das war nicht so schwer. Mein Vater mußte mit jedem Cent rechnen, dennoch kam er immer mit dem Wagen, um mich zu holen, und ich konnte jeden Sonntag und jeden Feiertag daheim sein. Auf der Kunstschule - nun, da durfte ich das lernen, was es mich zu lernen drängte. Ich überwand das Heimweh. Doch Hanska wird nicht nur weit weg sein; er wird von seiner großen Liebe, den Pferden, ganz getrennt. Er ist auch noch ein kleiner Bub und in seinem Herzen schon schwer getroffen. Er hat die harten Tage bei Eliza mit Jack Butchart und dessen Kumpanen erlebt. Bei uns faßt er nun eben Wurzel. Im Internat aber gilt er als ein schlechter Schüler und fühlt sich fremd. Ihr müßt begreifen, daß nicht ein Kind wie das andere ist. Und auch nicht ein Vater wie der andere. Mein Mann liebt die Kinder sehr. Er hat selbst eine schwere Jugend gehabt. Seinen Söhnen möchte er mehr Freude schenken.«
    »Vielleicht könntet ihr Hanska in dem kleinen Internat auf der Reservation unterbringen, das Frau Holland samt der Schule untersteht?«
    »Nein. Es geht im Prinzip nicht um irgendein Internat. Es geht im Prinzip um jenes neue, glänzend ausgestattete Internat, fern der Reservation, in das Hanska eingeschult worden ist. Dieses Internat soll keine Abgänge, seine Statistik soll keine solchen Schandflecke haben.«
    Der Blinde schüttelte stumm den Kopf. »Hast du mit Eliza gesprochen, Tashina?«
    »Ja. Aber sie begreift gar nichts mehr.

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