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Das Blut des Adlers 2 - Licht über weissen Felsen

Das Blut des Adlers 2 - Licht über weissen Felsen

Titel: Das Blut des Adlers 2 - Licht über weissen Felsen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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Natur und ihre Fähigkeiten, das Unwahrscheinliche zu schaffen. Als sie genug gestaunt und die bunte Erde auch mit den Händen befühlt hatten, erklärte ihnen Inya-he-yukan, daß dies die Stelle sei, an der er die Pferdediebe Brandy Lex und Black and White senior erschossen hatte. Die Buben schauten umher, aber was sich damals abgespielt hatte, konnte sich nur in ihrer Einbildungskraft wiederholen, denn die Hänge, Türme und Schluchten von damals waren durch einen Erdrutsch vollständig verändert oder auch ganz verschwunden.
    »Aber du warst es nicht, Inya-he-yukan, der die Erde zum Rutschen brachte?«
    »Nein, Wakiya. Du mußt wissen, daß ich vor Gericht nie lüge. Wenn ich etwas nicht sagen will, so schweige ich. Hau.«
    »Darüber sind sie noch mehr böse, als wenn du lügen würdest.«
    »Ja, ich weiß. Die meisten Geister und auch manche Menschen lügen dann und wann. Es ist ihnen gewohnt, und sie haben es gern, wenn andere ebenso handeln wie sie selbst. Wenn aber einer das tut, was sie nicht gewohnt sind, so fühlen sie sich gestört oder beschämt und rächen sich dafür.«
    »Du tust also nicht immer das, wovon du am meisten Vorteil hättest, Inya-he-yukan?«
    »Nein, ich handle lieber so, daß ich mich selbst achten kann. Aber manchmal ist auch das nicht mehr möglich.«
    Joe brach ab. Er und die beiden Buben gingen zurück zum Wagen.
    Wakiya-knaskiya und Hanska hatten auf einem Sitz leicht zusammen Platz.
    Gegen Abend kampierten sie in den Wäldern der Schwarzen Berge. Die Autostraße und die Campingplätze waren von Ferienreisenden überfüllt. Wakiya und Hanska hatten sich über die Massen der Geister gewundert, die sich mit ihren Wagen umhertummelten und in langen Schlangen vor den Durchgängen durch die Felsentunnel warteten. Mit seinem wendigen Zweisitzer war Joe da und dort durchgeschlüpft. Doch hatte er diese Möglichkeit nur mit Vorsicht wahrgenommen, als Indianer wollte er nicht auffallen.
    Zur nächtlichen Rast war er auf einen Waldweg eingefahren, einen schmalen, teils steinigen, teils sumpfigen Weg, der andere abschrecken mußte. Es wurde kein Feuer gemacht, aber Joe bestimmte eine Büchse Fleisch dazu, geöffnet zu werden, und die Buben stellten das kleine Zelt auf. Es wurde ruhig rings. Nur eine Quelle plätscherte noch. Am Himmel schimmerten die Sterne, und die Wipfel der Tannen führten ihre Zeichensprache mit dem Wind. Die  drei  Indianer  träumten  von  Tatanka-yotanka  und  von Tashunka-witko, von Pfeilspitzen, Kriegern, von Tänzen und Gesängen, von Kindern, die im Zelt erwachten und im Zelt wieder schlafen gingen, die lange Haare trugen und keine Schuhe kannten, obgleich sie viel zu lernen hatten. Sie träumten von Bären, Elchen, Büffeln und Adlern. Die Nacht der alten Stammesheimat gehörte ihnen, der Tag aber war vom Lärm der Geister besetzt.
    Am nächsten Morgen ließen sie den Wagen stehen und wanderten miteinander ohne Weg zu einem Gipfel. Es ging über Wurzeln und Felsen, über Moos und Wasser, über Geröll und Kiesel. Es war heiß und windig, schattig und sonnig; verborgen liefen sie durch den Wald; weit offen lag plötzlich zu ihren Füßen die Ebene der Prärie; weit, ohne Ende, gelb, blau, grau verschwimmend in den fernen Himmel.
    Indianerland.
    Aber in ihrem Rücken schwebte und webte es von Benzin und von Motorgeräuschen, und die Geister nahmen die breiten Wege ein. In einem Aufwallen des Gefühls, das er selbst nicht hatte vorausahnen können, klammerte sich Hanska wieder an Inya-he-yukan und verbarg sein Gesicht an der Hüfte des Mannes. Seine Wangen waren naß.
    »Laß uns doch fortgehen, Vater Inya-he-yukan, weit, weit fort, dorthin, wo die Adler und die Elche wohnen, und wir wollen nie mehr zurückkehren!«
    Inya-he-yukan antwortete nicht.
    Er begann den Abstieg.
    Des Nachts schliefen die beiden Buben auf ihrem gemeinsamen Sitz im Wagen, und Joe fuhr die leeren Straßen, wie er wollte.
    Es wurde eine lange Wanderung. Die drei kehrten nirgends ein. Sie hatten Wagen und Zelt, kauften sich einfache Verpflegung und fanden Plätze, wo sie Feuer machen durften. Sie atmeten Wind und fühlten Regen, ihre braune Haut röstete in der Sonne. Sie spielten miteinander und begannen zu lachen. Weit hinter ihnen lagen Sorgen, Reservation, Internate und Masken. Ihr Leben war helles Licht geworden, doch irgend jemand in ihnen vergaß nicht, daß dieses Licht eines Tages gebrochen werden sollte. Sie sprachen davon nie mehr. Aber ihre Freude blieb ein Fieber.
    Als sie im

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