Das Blut des Adlers 2 - Licht über weissen Felsen
kaum zu sehen. Der Raum wirkte licht, aber kalt. Eliza trug Anstaltskleidung. Ihr Gesicht war aufgeschwemmt, ihr Haar war ergraut, und in ihren Augen quoll die Krankheit. Sie schaute auf Queenie, als ob sie ein Tier betrachte, das gefährlich werden konnte.
Queenie würgte es am Hals; das war eine unsichtbare Hand, die Hand des Todes, der Rotadlermädchen mit sich genommen hatte.
»Guten Morgen, Eliza. Ich grüße dich auch von Wakiya und von Hanska.«
»Ja, ich erkenne dich schon, du bist Tashina King.«
»Das bin ich, Eliza, und ich grüße dich von Wakiya-knaskiya und von Hanska.«
»Ja, ja, so, Tashina King. Es hat aber alles so kommen müssen.«
In Elizas verschwommenem Gesicht blitzte es auf, und dieses Blitzen war unheimlich, weil es nicht aus dem Denken, sondern aus der Zerstörung des Denkens stammte. Queenie konnte sich nicht verhehlen, daß sie sich als Kind eine Hexe so vorgestellt hatte; in ihrem Elternhaus hatte es ein einziges Buch, ein Märchenbuch gegeben, aus dem Queenie Freude, Gruseln und Grauen gesogen hatte, und in diesem Buch stand das Hexenbild. Queenie kämpfte gegen ihre eigene Phantasie, ohne ganz darüber Herr zu werden.
»Ich denke aber immer, es hat alles so kommen müssen, Tashina King. Dein Joe hat mir die Kinder weggeholt. Er ist verflucht. Da ist der Fluch ins Haus gedrungen. Es hat so kommen müssen. Ich bin verdammt, daß ich hier sterben soll. Sie werden mich an einen Haken hängen. Das Gericht hat es gesagt.«
»Du wirst doch wieder gesund, Eliza.«
»Ich bin nicht krank.« Eliza schaute sich scheu um. »Glaube ihnen nicht. Es hat alles so kommen müssen. Mit deinem Joe fing es an. Er ist ein Zauberer und hat mir die Kinder gestohlen. Weißt du das? Sie werden mich an einen Haken hängen. Hast du ihn mitgebracht?«
»Nein, Eliza. Du wirst ja wieder gesund.«
Eliza spreizte die Hand. »Nein, nein! Sie biegen die Haken schon, tausend Haken. Ich weiß nicht wo. Ich bringe es nicht mehr zusammen, es läuft mir davon. Hilfst du mir, Tashina King?«
»Ich will dir gern helfen, Eliza.«
»Du hast das weiße Kleid an, Tashina King. Das weiße Kleid kommt, ehe sie die Haken biegen. Aber Joe hat mir die Kinder gestohlen, da kam der Fluch ins Haus.«
»Wakiya und Hanska geht es gut, Eliza.«
»Was sagst du da?«
»Wakiya und Hanska geht es gut, Eliza.«
»Ich bringe es nicht zusammen. Der Butchart schlägt mich. Nachts kommt er und schlägt mich. Aber der Mann mit dem weißen Kittel wird mich an die tausend Haken hängen. Hast du sie jetzt mitgebracht? Du hast das weiße Kleid an, Tashina!«
Eliza stand drohend auf, und Queenie erschrak tödlich.
Die Tür wurde leise geöffnet. Die Wärterin, die durch das Guckloch beobachtet hatte, winkte Queenie.
Queenie faßte wieder Mut; sie blieb der drohend und verwirrt blickenden Frau gegenüber stehen.
»Guten Morgen, Eliza, und wenn du mich wieder rufen willst oder wenn du von den Kindern hören möchtest.«
Eliza verzog das Gesicht zu einem nicht mehr menschlichen Grinsen. Queenie ging schnell aus dem Zimmer. Die Wärterin begab sich an ihrer Stelle zu Eliza.
Als Queenie King das Haus der kranken Geister verlassen hatte, sank sie auf eine der Bänke im Garten. Sie hatte das Gefühl, daß der Wahnsinn nach ihr selbst greife. Hilfesuchend schaute sie in das Leuchten der Sonne über den Blumen. Ein Arzt kam des Weges; Queenie fiel ihm auf.
»Warten Sie?«
»Ich gehe schon wieder. Ich habe Eliza Bighorn besucht.« Der Arzt antwortete mit einem Achselzucken. »Können Sie ihr noch helfen?« »Sie hat keinen Willen mehr. Sind Sie verwandt?« »Vormund der Kinder.«
»Wer ist dieser Joe, von dem Eliza Bighorn immer spricht?« »Mein Mann.«
»Wie kommt sie auf die tausend Haken?« »Sie hat Tag für Tag Angelhaken gebogen.«
»Ah. Ja. Ich kann Ihnen nicht viel Hoffnung machen. Der Brandy und das Gefängnis haben dieser Patientin offenbar den Rest gegeben. Sie leidet auch an Tobsuchtsanfällen. In einem frühen Stadium wäre die Erkrankung leicht zu heilen gewesen. Aber wer will auf einer einsamen Ranch die frühen Stadien erkennen.«
»Wir haben die Frau zuviel allein gelassen.«
»Wer - wir?«
»Wir Indianer.«
»Sie fühlen sich noch alle zusammengehörig?« »Irgendwie - ja.«
» Wodurch? „
»Wodurch? - Die Reservation - die Würde unserer Väter und Mütter, unsere Anstrengungen, aus dem Elend unserer Niederlage mit einem Kampf ohne Waffen wieder herauszukommen - und ein paar Vorstellungen, daß wir einander helfen
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