Das Blut des Adlers 2 - Licht über weissen Felsen
lagen, konnten sie sich beim Sprechen ansehen. Beide hatten die Arme hinter dem Kopf verschränkt.
»Nun weißt du es also, Wakiya-knaskiya. Und der alte Booth drüben wird jetzt seine Tochter Mary ducken, damit sie weiter den Mund hält .«
»Sie hat gesprochen.«
»Zum Vater und zur Mutter. Nicht zu uns.«
»Sie will Inya-he-yukan nicht sterben lassen.«
»Das will sie nicht. Mary hat Joe geliebt, mußt du wissen, er aber hat sich Queenie genommen. So war das.«
»Ihr sollt Inya-he-yukan nicht verraten.«
»Wir können auch Mary nicht verraten. Als sie sprach, sind unsere Ohren keine Ohren gewesen.«
»Aber doch sitzen ihre Worte auch in eurem Kopf, und sie werden darin wühlen wie eine Maus in der Erde.«
»Hab' Angst, daß du recht haben könntest, Wakiya.«
Am nächsten Morgen - es war ein Sonnabend - schien Bob müde und unlustig zu sein. Er lief mit Wakiya zusammen hinüber auf die Booth-Ranch. Vater und Mutter Booth hatten übernachtet; nun starteten sie mit ihrem alten Studebaker zur Heimreise. Mary stand an der Straße und schaute dem Wagen noch nach. Sie bemerkte Bob und Wakiya zu spät. Der Junge hatte ihr Gesicht gesehen, das zerstört war wie das Land nach einem Unwetter. Sie suchte aber zu verwischen, was in ihr vorging, als sie sich Bob und Wakiya zuwandte.
Wakiya meldete sich zu Wort.
»Heute, Tante Mary, reite ich zu meiner Mutter, denn mein Bruder ist heimgekommen, und ich will ihn besuchen. Morgen oder übermorgen komme ich zurück.«
»Gut. Nimm die sanfte Stute.« Mary sprach wie mit einer fremden Stimme.
Die Stute schnaubte und freute sich an einem Galopp unter ihrer leichten Last.
Als Wakiya nach einem langen Ritt bei der hellblauen Hütte ankam, schaute die Mutter vom Holzmachen auf. Der Bruder stand an der Tür. Die kleine Schwester mußte Wasser holen gegangen sein, denn der Eimer befand sich nicht an seinem Platz. Wakiya glitt vom Pferderücken herunter, fast so mühelos wie ein Cowboy, und machte seine Stute fest. Dann lief er zu seinem Bruder und wollte mit ihm lachen. Aber der Bruder lachte nicht und sagte nichts, und Wakiya erschrak, denn sein Bruder war nicht der alte. Zu lange hatte er Heimweh gehabt und in seinem Herzen gegen die anderen gelebt, mit denen er doch zusammenleben mußte. Wakiya wollte Mutter und Bruder nur besuchen und dann weiterreiten, denn er hatte noch viel vor. Er wollte den Bruder mitnehmen, aber der Bub, der Cowboy werden wollte, konnte sich noch auf keinem Pferderücken halten. Wakiya wurde sehr verlegen. Die Freude daran, daß er selbst reiten gelernt hatte, war ihm verdorben. »Besuch mich, Hanska, dann lehrt Bob dich, auf einem Pferd oben zu bleiben.«
Da blitzten die Augen des Jüngeren zum erstenmal auf. Die Mutter war herbeigekommen.
»Hanska hat ein schlechtes Zeugnis, Wakiya, und du solltest dableiben und mit ihm lernen, damit er nicht sitzenbleibt.«
Der Jüngere tat den Mund auf. »Ich lerne nicht, Wakiya-knaskiya. Wenn ich ein ganz schlechter Schüler werde, darf ich vielleicht wieder nach Hause. Ich muß nur aushalten, bis sie es nicht mehr mit mir aushalten. Fast jede Nacht muß ich eine Stunde stehen, ehe ich mich ins Bett legen darf. Aber ich halte aus, Wakiya. Dann komme ich heim und lerne reiten bei Joe King.« - Wakiya zuckte bei dem Namen zusammen.
Die Mutter erklärte. »Der reitet jetzt auch nicht, Hanska, der ist eingesperrt, und da, wo er ist, kann er stehen oder sitzen, aber reiten kann er nicht.«
Hanska erschrak. »Wo ist Joe King?«
»Im Gefängnis in New City. Er kann die Sonne nicht sehen und nicht den Mond. Er hat auch keine Ferien und muß den Geistern immerzu gehorchen. Also tröste dich, Hanska. Wenn Joe King das Gefängnis aushält, wirst du auch deine Schule aushalten.«
Wakiya kaute an seinen Lippen. Noch einmal sagte er:
»Besuch mich, Bruder Hanska, dann lehrt dich Bob, wie man auf einem Pferd oben bleibt.«
»Hau, ich komme! Wann bist du wieder daheim, Wakiya-knaskiya?«
»Am dritten Abend sicher.«
Wakiya machte seine Stute los, kletterte hinauf und ritt weiter. Sein Ziel war die Schule.
Es war Sonnabend nachmittag, und er konnte nur in dem kleinen Wohnheim der Schule jemanden antreffen. Dort hatte er auch wieder nichts zu tun als zu fragen, wo Mr. Ball wohnte und ob er in den Ferien da oder etwa verreist sei.
Mr. Ball wohnte in der Siedlung bei der Schule und war auch in den Ferien zu Hause.
Wakiya merkte, daß ihm ein Stein auf dem Herzen gelegen hatte, der durch diese Auskunft weggewälzt
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