Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Blut des Adlers 2 - Licht über weissen Felsen

Das Blut des Adlers 2 - Licht über weissen Felsen

Titel: Das Blut des Adlers 2 - Licht über weissen Felsen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
Vom Netzwerk:
worden war.
    Sein Pferd, das er am Zügel führte, machte er fest und ging durch die Siedlung bis zu dem kleinen rosafarbenen Holzhaus, in dem sich Lehrer Ball, der Junggeselle, eingenistet hatte. Dreimal hob Wakiya die Hand, bis er endlich wagte zu klingeln. Ball erschien an der Tür. »Byron Bighorn! Komm herein!«
    Byron Bighorn saß seinem Lehrer am Tisch gegenüber. Es war ihm unmöglich, den Sprung in die Sache ohne Anlauf zu machen. Er blieb still und wartete auf die Fragen des Lehrers, der seine Indianerschüler kannte.
    »Erzähl mir, Byron.«
    »Ich muß einen Schriftsatz machen.«
    »Was mußt du machen?«
    »Einen Schriftsatz.«
    »Für deine Mutter?«
    »Nein.«
    »Für deinen Bruder?« »Nein.«
    »Ja, dann erzähle einmal. Wir haben Zeit, wir beide; es sind Ferien, und Feiertag ist noch dazu. Also du mußt einen Schriftsatz machen!«
    »Ja. Der soll sehr sauber und schön aussehen.«
    »Du schreibst recht sauber und schön, Byron.«
    »Wenn ich ganz langsam schreibe. Manchmal mache ich doch noch einen Fehler, weil ihr Geheimnisse habt mit eurer Schrift und alles anders schreibt, als ihr es aussprecht.«
    »Das ist wahr. Ich kann aber nachsehen, ob du alle Wörter richtig geschrieben hast. Weißt du denn alle Wörter, die du schreiben willst?«
    »Alle, aber von manchen weiß ich noch nicht, wie sie geschrieben werden.«
    »Wollen wir anfangen?«
    »Ja.«
    Lehrer Ball holte Papier und Kugelschreiber herbei. »Nun schreibe ich alles auf, wie du es heben willst. Recht so? An wen schreibe ich?«
    »Das müssen wir beraten. Erst muß es einmal aufgeschrieben sein. Ich sage Ihnen jetzt, was Sie schreiben sollen.«
    »Gut.«
    »Am Freitag, dem 2. August, saßen Isaac Booth, Mary Booth, Alex Goodman, Bob Thunderstorm und Byron Bighorn um den Tisch im Hause von Mary Booth.«
    »Um was für einen Tisch?«
    »In dem Hause gibt es nur einen Tisch. Einen einzigen Tisch. Einen großen Tisch.«
    »Gut. Weiter.«
    »Ich sage Ihnen alles, Mister Ball, was Mary gesagt hat. So sprach sie!« Und Byron vermochte aus dem Gedächtnis zu wiederholen, was er vernommen hatte.
    »Byron! So hat Mary Booth zu ihren Eltern gesprochen? Hast du sie noch einmal gesehen?«
    »Ja. Heute morgen. Vater und Mutter Booth fuhren gerade weg. Sie hatten Mary geduckt, damit sie wieder schweigt und nichts mehr gegen ihren Bruder sagt. Wie ein Krautgerippe im Herbst sah sie aus. Sie hat Inya-he-yukan lieb!«
    Ball hob erstaunt den Blick. Verstand sein Schüler, was er sagte? Der Lehrer brütete vor sich hin. »Die verdammte Sippenwirtschaft! Byron, ich suche dir jemand, der dein Pferd versorgt, und nehme meinen Wagen. Wir fahren zu Ed Crazy Eagle.«
    Auch die Familie Adlergeheimnis war am Abend des ersten Wochenendtages zu Hause.
    Der Lehrer und der Richter setzten sich einander gegenüber. Ball las dem Blinden vor, was er aufgeschrieben hatte, und Wakiya hörte mit zu.
    »Die Sippe, ja, Mister Ball. Die Zusammengehörigkeit ist für unsere Menschen eine praktische Stütze, auch ein unentbehrlicher ethischer Halt. Aber der Clan steht im Rechtswesen der Wahrheitsfindung entgegen ebenso wie die Familie in der allgemeinen Gesetzgebung, nur noch viel zäher und unverbrüchlicher. Mary hat unter Eid ausgesagt. Nun, sie könnte sich darauf berufen, daß sie nur nach den Vorgängen in der Nacht des Diebstahls befragt war und nach nichts anderem. Wenn sie aber ihren Bruder bloßstellen soll, kann sie die Vereidigung ablehnen und die Aussage verweigern. Wen sollte man überhaupt vereidigen.«
    »Bob Thunderstorm und Alex Goodman.«
    »Das Verfahren ist abgeschlossen. Die Frist für die Berufung läuft kommenden Mittwoch ab. Bis dahin ist King noch im Untersuchungsgefängnis von New City, aber dann kommt er in den Strafvollzug, und das ist mir in seinem Falle in mehr als einer Beziehung unheimlich. Er hat als >Rückfälliger< und Indianer die Verwaltung gegen sich; und als einer, der sich aus einer Gang gelöst hat, hat er die gesamten Verbrecher zum Feind, das heißt, er ist im Kerker ein verlorener Mann.«
    »Was ist zu tun?«
    »Joe King selbst könnte auf Grund dieses Schriftstücks hier mit neuen Beweisgründen die Wiederaufnahme des Verfahrens beantragen. Aber dann muß er ohne Verzug davon unterrichtet werden.«
    »Sie übernehmen das, Mister Crazy Eagle?«
    »Ich werde sofort versuchen, eine Verlängerung der Untersuchungshaft zu bewirken, da die Wiederaufnahme in kurzem möglich erscheint.« Crazy Eagle griff nach dem Telefon. Er konnte jedoch am

Weitere Kostenlose Bücher