Das Blut Des Daemons
die Augen meines Onkels erneut zu mir. »Sie kann im Flugzeug von dir oder mir trinken. Du warst erst heute auf der Jagd, ich gestern. Es wird uns trotz ihres Hungers nicht schaden. Und vielleicht ist es in Anbetracht der Umstände sogar besser, wenn sie in der nächsten Zeit nur von Mitgliedern der Familie Blut nimmt.«
Umstände? Was hatte der › Umstand ‹, dass ich nach Griechenland befohlen worden war, damit zu tun, wessen Blut ich trank?
»Und solange …«, er verschwand in dem kleinen Zimmer; ich glaubte ein kurzes Scharren zu hören. Ein kaum wahrnehmbares Stöhnen verhinderte, dass ich in den Raum lugte. Plötzlich war der Geruch nach Blut sehr viel stärker. Mein Magen krampfte sich zusammen, dass ich scharf Luft holen musste. Kurz darauf war er wieder da, das Glas in der Hand, das ich zuvor auf dem Tisch gesehen hatte. Randvoll mit Blut. Ich starrte darauf … konnte den Blick nicht abwenden.
»Bis wir in der Maschine sind, wird das hier wohl genügen, um ihr über das Schlimmste hinwegzuhelfen.« Er hielt mir das Glas hin. »Trink!« Das Wort duldete keinen Widerspruch. Ich nahm es wie in einem Traum entgegen – einem schlechten Traum – und setzte es an die Lippen. Meine Eckzähne schlugen lautstark gegen den Rand. Sie zogen sich nicht in meinem Kiefer zurück. Wie sollte ich so trinken? – Irgendwie schaffte ich es, wenn ich auch nicht genau wusste wie.
Das Blut des Jungen schmeckte schal; schal und dünn und fade. Es kostete mich Überwindung, es zu schlucken. In meinem Inneren schlug die Gier ihre Klauen ein wenigtiefer in meine Eingeweide, schienen meine Adern ein bisschen mehr zu verdorren. Trotzdem trank ich weiter, bis das Glas leer war. Ich schloss die Augen und gab es zurück. Meine Hand zitterte leicht. Hätte das Blut des Jungen meinen Hunger stillen sollen? Es fühlte sich an, als hätte es ihn im Gegenteil nur noch mehr angefacht. Ich versuchte es mir nicht anmerken zu lassen, zwang mich dazu, möglichst ruhig zu atmen und die Lider zu öffnen. Vlad hatte die Tür zugezogen und das Glas achtlos daneben auf den Boden gestellt.
Radu, der mich offenbar die ganze Zeit nicht aus den Augen gelassen hatte, stieß sich von der Wand ab, als sein Bruder ihm zunickte, und ging vor uns her zum Ende des Ganges. Ich folgte ihm still. Vlad war so dicht hinter mir, dass mein Kiefer sich anfühlte, als stünde er in Flammen. Ich biss die Zähne ein wenig fester zusammen und grub mir selbst die Fingernägel in die Handfläche. Bitte, Julien, halt durch! Nur noch ein kleines bisschen.
Es war, wie mein Onkel gesagt hatte: Wir konnten jederzeit aufbrechen. In der Tiefgarage unter dem Haus wartete bereits die gleiche Limousine auf uns, die Vlad und mich erst vor wenigen Stunden hierhergebracht hatte. Sie ließen mir den Vortritt und ich verkroch mich in dieselbe Ecke wie auf der Herfahrt. Jemand – Michail? – hatte Juliens Lederjacke auf die Sitzbank gelegt. Obwohl meine Kehle sich bei ihrem Anblick zuzog, schlüpfte ich dankbar in die Ärmel. Radu und Vlad setzten sich mir gegenüber, offenbar darauf bedacht, mir möglichst viel Platz zu lassen. Dennoch wagte ich kaum, auch nur ein klein wenig tiefer zu atmen. Die Miene meines Großvaters ließ keinen Zweifel daran, was er davon hielt, mich in einer Lederjacke zu sehen, die augenscheinlich nicht mir gehörte. Ich glaubte das Klacken des Kofferraumdeckels zu hören, dann beugte Michail sich noch einmal kurz herein.Was er zu meinem Onkel sagte, konnte ich nicht verstehen, doch es entlockte Radu ein leises Schnauben und wurde von Vlad mit einem Nicken quittiert. Nach einem raschen Blick und einem Nicken zu mir schloss er dann die Tür.
Gleich darauf setzte der Wagen sich nahezu lautlos in Bewegung, verließ die Tiefgarage und fädelte sich anscheinend in den übrigen Verkehr ein. Nur zu gern hätte ich die dunkle Scheibe auf meiner Seite heruntergelassen, um vielleicht einen weiteren Blick auf Paris zu erhaschen, doch ich ließ es – aus Angst, der Wind würde den Geruch nach Menschenblut mit sich tragen.
Mein Onkel und Großvater schwiegen die meiste Zeit. Vlad schien seinen eigenen Gedanken nachzuhängen, nur einmal durchbrach er die Stille, um mich zu fragen, wie es mir ginge, überließ mich dann aber wieder mir selbst, als ich nickte und mir ein gezwungenes Lächeln abrang. Radu machte ab und an eine Bemerkung, die ich nicht verstand – ich nahm an, es war auf Rumänisch – erhielt von Vlad allerdings nur knapp klingende Antworten.
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