Das Blut Des Daemons
Dazwischen lagen seine Augen immer wieder auf mir, musterte er mich nachdenklich und versonnen.
Unsere Fahrt dauerte nicht allzu lange, eine knappe halbe Stunde höchstens. Zuerst hatte der Chauffeur sich wohl durch den Stadtverkehr von Paris schlängeln müssen, doch schließlich gelangten wir offenbar auf eine deutlich größere Ausfallstraße, denn der Wagen wurde spürbar schneller. Bis wir unser Ziel endlich erreicht hatten.
Die Limousine wurde langsamer, hielt schließlich ganz und setzte sich dann wieder in Bewegung, nur um kurz darauf endgültig zum Stehen zu kommen. Vlad und Radu stiegen aus, dann reichte mein Onkel mir die Hand, um mir aus dem Wagen zu helfen. Fröstelnd zog ich die Schultern hoch und raffte den Kragen von Juliens Jacke enger zusammen.Hinter uns und einem zweiten, etwas weniger eleganten Wagen wurde gerade ein hohes Metalltor geschlossen. Im kalten Wind glaubte ich Vlads Blut noch besser wahrzunehmen – ebenso wie das der Vampire und Menschen um uns herum. Ich biss die Zähen fester zusammen. Im Flugzeug würde ich von ihm oder meinem Großvater trinken dürfen. Ich konnte nur hoffen, dass ihr Blut meinen Hunger besser stillte als das des jungen Mannes. Vlad maß mich mit einem prüfenden Blick, als er meine Hand losließ, dann nickte er mit einem »Hier entlang« nach rechts und ging vor mir her auf einen hell erleuchteten, eleganten Jet zu, der vor dem riesigen Betonhangar stand, der uns am nächsten war. Mein Großvater stieg gerade die Treppe hinauf ins Innere der Maschine. Links von uns erstreckten sich mehrere Start- und Landebahnen. Bei dem Klappen eines Kofferraumdeckels drehte ich mich um. Onkel Vlads Chauffeur, ein Mann mittleren Alters – offenbar ein Vampir – strebte zusammen mit einem weiteren, jüngeren Mann seinerseits auf den Jet zu, in den Händen mehrere Taschen. Hinter der Limousine ragte in einiger Entfernung ein weißes, scheinbar zweistöckiges, lang gestrecktes Gebäude auf, über dem sich der Tower erhob; vermutlich das Flughafenterminal. Allerdings war es im Vergleich zu dem Flughafen von Bangor bei Weitem nicht so grell erleuchtet und voller Leben. Im Gegenteil. Abgesehen von einigen Privatjets schien der Flughafen beinah wie ausgestorben. Wo waren die riesigen Verkehrsmaschinen, die in Bangor fast im Minutentakt gestartet und gelandet waren?
»Kommst du?«
Ich drehte mich wieder zu meinem Onkel um. Er stand neben der Treppe des Flugzeuges und sah mir entgegen, eine Hand halb gehoben. Mit einem Nicken folgte ich seiner Geste.
»Warum ist es hier so still?«, erkundigte ich mich über dieSchulter, als ich die vier oder fünf Stufen vor ihm hinaufstieg.
»Le Bourget wurde vor einigen Jahren für den internationalen Flugverkehr geschlossen. Seitdem wird er überwiegend von kleineren Maschinen oder Privatjets genutzt. Was es für mich deutlich einfacher macht, zu kommen und zu gehen, wie es mir beliebt«, erklärte er und folgte mir in den Flieger. Eine junge Frau in Uniform begrüßte uns mit einem Nicken.
»Es ist alles bereit, Monsieur. Wir haben alle Freigaben. Sobald Sie sitzen und angeschnallt sind, können wir starten.«
»Danke, Danielle.«
Die Frau nickte erneut, während Vlad mich mit einer Hand an der Schulter an ihr vorbei- und weiter in das Flugzeug hineindirigierte.
»Aber … sie ist ein Mensch.« Das Geräusch der zuschlagenden und einrastenden Flugzeugtür ließ mich zusammenzucken. Plötzlich bebten meine Hände. Möglichst unauffällig drückte ich sie gegen meine Oberschenkel. Hinter uns erklangen weitere Stimmen, die sich aber anscheinend Richtung Cockpit bewegten. Natürlich: Vlad und Radu würden wohl kaum ohne Begleitung reisen.
»Und eine ausgezeichnete Pilotin.« Ich musste ihn ziemlich verwirrt angesehen haben, denn er schüttelte mit einem kleinen spöttischen Lächeln den Kopf. »Dachtest du, mein gesamter Haushalt mit allen Bediensteten bestünde nur aus Lamia und Geschaffenen?« Er ließ mich in die Passagierkabine vorangehen.
»Ja«, gestand ich irgendwie kleinlaut.
Sein Mund verzog sich ein wenig mehr. »Auch wenn das ein verlockender Gedanke wäre: So viele von uns gibt es nun auch wieder nicht. – Vor allem nicht von uns Lamia.« SeineHeiterkeit war von einer Sekunde zur nächsten wie weggewischt. »Unsere Zahl schrumpft mit jedem Jahrzehnt.«
Ich blieb stehen und drehte mich zu ihm um. »Aber ich dachte …«
»… dass es mehr als genug von uns gibt? Diese Zeiten sind vorbei. Unsere Art war noch nie besonders
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