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Das Blut Des Daemons

Titel: Das Blut Des Daemons Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Raven
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es nicht wusste. Wieder ging der Blick meines Großvaters über mich hinweg zu Vlad. Ich hörte, wie auch er sich erhob. »Wie gesagt: Wir werden sehen. Für den Moment ist es vermutlich am besten, wenn du dich erst einmal ausruhst.«
    »Was?« Ich starrte zuerst ihn, dann meinen Onkel an. Sie wollten mich hier allein zurücklassen?
    Radu wies auf das Bett und zu einer zweiten Tür. »Ruh dich aus und dann mach dich ein wenig frisch. Und vor allem: Zieh dir etwas anderes an. Die Princessa Strigoja kann nicht in solchen Fetzen vor dem Rat erscheinen.« Fetzen? »Vor allem nicht mit dieser Jacke. – Michail hat dir etwas Passendes eingepackt. Ich erwarte, dass du angemessen gekleidet bist, wenn wir uns wieder sehen, Mädchen.« Er musterte mich einen Moment. »Musst du noch einmal trinken?«
    Ich biss die Zähne zusammen und schüttelte den Kopf – obwohl der Hunger bereits wieder in meinem Inneren zu wühlen begann. Im Augenblick wollte ich nur eins: dass sie endlich gingen. Mein Großvater runzelte zwar kurz die Stirn, neigte dann aber den Kopf und durchquerte den Raum. Vlad stand schon bei der Tür, den Griff in der Hand. Er nickte mir ebenfalls zu, stieß sie auf und trat gleichzeitig einen Schritt zurück, um seinen Bruder vorbeizulassen. »Wir schicken jemanden zu dir, wenn es so weit ist.«
    Wenn es so weit ist. – Wenn der Rat zusammentrat. Ich murmelte ein »Ja« und senkte fügsam den Kopf. Dennoch entging mir der Blick nicht, mit dem mein Onkel michnoch bedachte. Er sagte ganz eindeutig: Mach keine Dummheiten!
    Auch als er die Tür schließlich wieder hinter sich zugezogen hatte, blieb ich auf dem Bett sitzen. Und zählte langsam bis hundert. Dann ein zweites Mal. Und dann noch einmal bis hundertfünfzig. Bald würde die Sonne aufgehen. Ich glaubte sie bereits in meinen Knochen zu spüren. Die ganze Zeit lauschte ich auf jedes Geräusch. Er war still wie in einem Grab.
    Schließlich stand ich auf und ging ebenfalls zur Tür. Angespannt holte ich Atem – und öffnete sie sehr, sehr langsam. Der Gang davor war leer. Mein Herz klopfte wie verrückt. Niemand, der sicherstellen sollte, dass ich in meinem Zimmer blieb. Sie hatten mich tatsächlich allein gelassen. Ich holte noch einmal tief Luft, dann schob ich mich auf den Korridor hinaus und schloss die Tür hinter mir. Innerlich schüttelte ich den Kopf. Sie hatten tatsächlich angenommen, ich würde brav in meinem Zimmer bleiben, wenn ich wusste, dass Julien im gleichen Gebäude war? Dass es ihm mit ziemlicher Sicherheit alles andere als gut ging? – Das Donnerwetter, das über mich hereinbrechen würde, falls sie mich erwischten, würde mehr als unangenehm werden, aber das interessierte mich im Moment überhaupt nicht. Ich wollte nur eins: zu Julien! Die Hände zu Fäusten geballt setzte ich mich in Bewegung.
    Als mir nach der zweiten Biegung noch immer niemand begegnet war, wurde ich mutiger. Sagte man nicht Frechheit siegt ? Als hätte ich jedes Recht der Welt, hier zu sein, folgte ich weiter dem Weg zurück – immer in der Hoffnung, nicht doch irgendwo falsch abzubiegen und mich zu verlaufen.
    Endlich erreichte ich jenen Korridor, an dessen Ende noch immer zwei schwarz gekleidete Vourdranj die Stufen bewachten, die in die Tiefe führten. Beinah hätte ichgezögert, wäre vielleicht sogar stehen geblieben … ich zwang mich weiterzugehen. Keine Schwäche! Ich darf sein, wo ich bin! Als mir klar wurde, dass ich die Handflächen an den Seiten meiner Oberschenkel rieb, schob ich sie hastig in meine Hosentaschen.
    Die beiden sahen mir ungerührt entgegen und lösten sich nicht eher von der Mauer, an der sie nachlässig lehnten, bis ich sie fast erreicht hatte. Jede ihrer Bewegungen kündete von derselben gefährlichen Eleganz, die ich auch bei Julien immer wieder bewundert hatte. Meine Kehle zog sich ein Stück weit zusammen. Natürlich. Sie waren Vourdranj wie er. Und ich war absolut keine Gefahr für sie. – Was vermutlich auch für die meisten der Fürsten galt.
    Ich hatte einfach zwischen ihnen hindurchgehen wollen, doch der links von den Stufen stellte sich mir wortlos in den Weg.
    »Ich will zu meinem Leibwächter.« Noch immer wagte ich es nicht, Juliens Namen zu nennen; nicht, solange ich nicht mit Sicherheit wusste, dass sie wussten, um welchen der Zwillinge es sich bei meinem Leibwächter handelte.
    Der Vourdranj maß mich von oben bis unten. Er hatte warme braune Augen, deren Iris in jeder Farbnuance zwischen Bernstein und Mahagoni schimmerte.

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