Das Blut Des Daemons
außer dass er die Verbannung gebrochen und den Rat getäuscht hat? Denk nach, Mädchen. Wenn wir versuchen sollen, noch irgendeinen Ausweg aus dieser Sackgasse zu finden, dann sag mir jetzt die Wahrheit.«
Keiner darf davon wissen! Oder was wir getan haben. Keiner! Niemals! , glaubte ich Julien beinah direkt neben mir zu hören. Ich presste die Hände zwischen die Knie, um zu verhindern, dass ich nach dem goldenen Röhrchen unter meinem Shirt tastete. Aber hatte er es ihnen womöglich selbst schon gesagt? Wusste der Rat, dass sich das Blut in meinem Besitz befand? – Aber hätten sie es dann nicht schon in dem Augenblick von mir gefordert, als ich hier angekommen war? Vielleicht hatten sie ihn ja gar nicht danach gefragt? Wennman unter Drogen verhört wurde, beantwortete man da nicht einzig und allein die Fragen, die man gestellt bekam? – Nein! Nein, er hatte es ihnen nicht gesagt. Er durfte es ihnen nicht gesagt haben! Bis man mir etwas anderes bewies, würde ich mich an genau diesen Gedanken klammern. Doch da war etwas anderes, das sie vielleicht wissen sollten: »Julien hat die Lamia und Vampire getötet, die zusammen mit Bastien in Ashland Falls waren.«
Vlad und Radu tauschten einen Blick.
Mein Großvater beugte sich in seinem Sessel vor. »Und der junge d’Orané selbst?«
Ich schüttelte den Kopf. »Das war Adrien. – Sie haben nur die Leichen gemeinsam … verschwinden lassen. Aber ich weiß nicht wie oder wohin.«
»Wann war das?«
»An Halloween.«
»Die ganze Geschichte, Mädchen! Erzähl sie uns schon.«
Bei der Erinnerung an das, was in jener Nacht geschehen war, zog ich die Schultern hoch. Vlad und Radu hörten mir schweigend zu, während ich ihnen von Bastiens Erpressung und seinem Plan, mich und die Zwillinge zu Gérard nach Marseille zu bringen, berichtete. Und wie Julien – letztendlich zusammen mit Adrien – das vereitelt hatte. Als ich fertig war, schüttelte Radu den Kopf.
»Der junge d’Orané hätte es besser wissen müssen. Er kannte die beiden aus früheren Zeiten und er wusste um ihren Ruf als Vourdranj. – Gérard d’Orané kann diese Geschichte nicht vor den Rat bringen, wenn er sich nicht selbst in Misskredit bringen will.«
Vlad hatte sich in einem zweiten Sessel gegenüber dem Fußende meines Bettes niedergelassen. »Was er andererseits aber bereits getan hat. Immerhin hat er vor knapp vierundzwanzig Stunden zum zweiten Mal versucht sie in seineGewalt zu bekommen.« Einen sehr langen Moment musterte er mich nachdenklich. »Hat der junge Du Cranier bei eurer Flucht aus Ashland Falls auch getötet? Am Ende sogar einen Lamia?«, fragte er dann.
Hat er dir nicht gesagt, was es für einen Geschaffenen bedeutet, wenn er Hand an einen Lamia legt? , hatte Julien den jungen Vampir damals in der Lagerhalle gefragt, als der ihn auf Bastiens Befehl in den Hals gebissen hatte. Ich versuchte zu schlucken, zu atmen – und konnte es nicht.
»Aber Julien ist ein Lamia«, brachte ich endlich doch hervor.
»Das war er bis zu dem Zeitpunkt, als du ihn mit deinem Gift verändert hast.« Mein Onkel sprach vollkommen gnadenlos. »Also? Hat er?«
Ich dachte an die Kerle, die Julien am Flughafen von Bangor niedergeschlagen hatte – waren sie … tot gewesen? Waren es Lamia gewesen? Und was war mit dem hellblonden Mann im Wald hinter dem Anwesen? Sein Kopf hatte in einem unmöglichen Winkel zur Seite gehangen. Einen Lamia tötete man endgültig , indem man ihm das Genick brach … O mein Gott.
»Ich … ich weiß es nicht. Aber … es könnte … sein«, flüsterte ich hilflos.
Radu atmete einmal tief ein und aus und lehnte sich in seinem Sessel zurück. Über meinen Kopf hinweg tauschte er erneut einen Blick mit Vlad. »Das ist nicht gut.«
Mein Mund war schlagartig wie ausgedörrt.
Wenn die Fürsten gnädig sind, jagen sie dir nur einen Pflock durchs Herz. Ansonsten ketten sie dich kurz vor Morgengrauen im Freien an und warten darauf, dass die Sonne aufgeht und den Rest erledigt.
»Er hat mich doch nur beschützt! Und … und …«
Mit etwas, das beinah wie ein Seufzen klang, drückte Radusich aus seinem Sessel in die Höhe. »Wir werden sehen. Dein … Freund hat einen … Trumpf …« Trumpf? Meinte er damit, dass Julien der Kideimon war? Woher …? – Hatte Adrien nicht gesagt, er hätte dem Rat Juliens Geheimnis offenbart, um zu verhindern, dass sein Bruder hingerichtet wurde? Vlad und Radu gehörten zum Rat. Also mussten sie es wissen, oder? Aber sie nahmen an, dass ich
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