Das Blut Des Daemons
schon zuvor vage gespürt, aber nun wurde es mir richtig bewusst. Meine Hände zitterten. Möglichst unauffällig presste ich sie auf die Armlehnen. Warum war sie mit einem anderen verheiratet gewesen, wenn sie Adrien liebte? Was war geschehen?
»Der Rat besteht aus vierzehn Fürsten. Und dem Panaos.« Radus Stimme riss mich aus meinen Gedanken. Offenbar war ihm nicht entgangen, dass ich meinen Blick durch den Raum hatte schweifen lassen – er hatte nur andere Gründe vermutet.
»Panaos?« Meine Knochen fühlten sich immer mehr an, als wären sie aus Blei gegossen. Schlafen! Der Wunsch war allmählich schier übermächtig. Wie gern hätte ich die Augen geschlossen und mich in irgendeiner Ecke zusammengekauert. Vielleicht sollte ich froh sein, dass es in diesem Teil des Klosters anscheinend kein einziges Fenster gab, durch das die Sonne hätte hereindringen können. Der Hunger, der schon wieder in meinem Inneren wütete, machte es nicht besser. Ob Olek noch immer vor der Tür des Saals bei den Vourdranj war? Wahrscheinlich hätte Radu mich von ihm nur zu gerne in mein Zimmer zurückbegleiten lassen. Aber den Gefallen würde ich ihm nicht tun. Ich würde hierbleiben. Ich würde dabei sein, wenn sie Julien den Prozess machten. Ich würde ihn nicht noch einmal alleinlassen. Egal um welchen Preis. Ich konnte vielleicht nichts tun, um ihm zu helfen, aber ich würde hiersitzen, um bei ihm zu sein.
Radu beugte sich etwas weiter zu mir und nickte zu der Gestalt in den Mönchsgewändern hin. »Man könnte sagen, Akretos ist der Abt dieses Klosters. Aber das trifft es nichtganz. Er hat deutlich mehr Macht, als ein gewöhnlicher Abt jemals haben könnte. Er herrscht sozusagen über all das Wissen, das diese Mauern beherbergen. Was die Auslegung unserer Gesetze angeht, ist er die letzte Instanz. Keiner kennt sie besser als er. Während jeder der Fürsten, egal ob er zum Inneren Rat – also den alten Fürsten – gehört oder nicht, nur eine Stimme hat, zählt die des Panaos doppelt. Allerdings ist es seit Ewigkeiten nicht mehr vorgekommen, dass er sich in die Entscheidungen des Rates eingemischt hat.«
Ich schaute zu der Gestalt in dem dunklen Mönchsgewand hinüber und sog die Unterlippe zwischen die Zähne. Keiner der Fürsten richtete das Wort an sie. Selbst wenn sie hinter ihr vorbeigingen, um zu ihren Sitzen zu gelangen, neigten sie die Köpfe. Radus Hand auf meinem Arm lenkte meinen Blick wieder zu ihm. Er maß mich aus schmalen Augen. »Du denkst besser nicht darüber nach, ob du ihn beeinflussen kannst, Mädchen. Akretos gilt als absolut unparteiisch. Alles, was für ihn zählt, ist, dass die Gesetze eingehalten und die Traditionen respektiert werden. Dein … Leibwächter hat diese Gesetze gebrochen. Akretos ist der Letzte, von dem er sich Unterstützung erhoffen darf. Allein der Versuch würde euch beide in Teufels Küche bringen.« So wie er mich weiter ansah, erwartete er eine Reaktion von mir.
Ich nickte ergeben und bemühte mich, dabei nicht zu sehr auf meinem Sitz zusammenzusinken. » Ich erwarte eine starke Princessa Strigoja an meiner Seite. Eine, die ihrer Blutlinie Ehre macht «, hatte er gesagt. Im Moment fühlte ich mich alles andere als stark – und daran war nicht nur die immer höher steigende Sonne schuld. Diese Männer und Frauen würden über Juliens Schicksal entscheiden, und es gab anscheinend nichts, was ich tun konnte, um ihre Entscheidung in irgendeiner Weise zu seinen Gunsten zu beeinflussen. Mir blieb nur eins: Mich an den Gedanken klammern, dass sie Juliennicht töten lassen konnten, solange sie glaubten, er sei der Einzige, der wusste, wo sich das Blut der Ersten befand. – Das Schlimmste, was sie tun konnten, war, ihn zurück nach Dubai zu schicken, oder? Ich würde einfach mit ihm gehen. Selbst dort wurde es Nacht.
Erneut erklang die Glocke zweimal. Auch die letzten Fürsten nahmen ihre Plätze ein. Ich rieb mir mit der freien Hand übers Gesicht und versuchte die Müdigkeit zurückzudrängen. Eine seltsame Stille breitete sich aus.
Als sie Julien hereinführten, zog sich mein Herz zusammen. Seine Haut wirkte grau, Schweiß glänzte darauf. Waren die Schatten auf seiner Wange und an seiner Kehle Blutergüsse? O Gott. Pádraig und ein weiterer Vourdranj hielten ihn zwischen sich, hatten ihn an den Oberarmen gepackt, und trotzdem wirkten seine Schritte … schleppend, unsicher. Schwere Handschellen fesselten seine Handgelenke aneinander. Bei dem in den Boden eingelassenen Ring
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