Das Blut Des Daemons
klangen wie ein Zitat aus einem Gesetzeskodex.
Jemand schnaubte.
Der Mönch beachtete es nicht, sondern wies zu Adrien hin. »Er hat das Recht, anwesend zu sein, wenn dieses Tribunal über seinen Bruder richtet.«
Niemand widersprach. Wie auf einen unausgesprochenen Befehl zogen sich die Vourdranj-Wachen zurück. Ramon nickte Adrien noch einmal zu und schloss die Tür. Verblüfft beobachtete ich, wie sich die Fürsten unter Scharren und Räuspern wieder auf ihren Plätzen niederließen. Kein Murren. Nicht eine Silbe des Protestes. Adrien hatte sich mit einem Murmeln vor dem Mönch verneigt und setzte sich gerade auf den Stuhl ganz am Ende des gegenüberliegenden Tisches. Sein Blick begegnete meinem quer durch den Raum. Kalt. Zornig. Ich schluckte und wandte die Augen ab.
Dathan klopfte erneut mit dem Dolch vor sich auf die Tischplatte. Das Geräusch verstärkte das Pochen in meinem Schädel noch. Ich presste die Lider zusammen und betete, dass es nachlassen würde. – Auch wenn ich nicht wirklich darauf hoffte.
»Dieses Tribunal hat sich heute hier versammelt, um Recht zu sprechen. Als Angeklagter steht vor uns Doamnej Jul-«
»Der Angeklagte hat kein Recht, diesen Titel zu tragen«, fiel Gérard ihm empört ins Wort.
»Mein Bruder ist ein Prinz durch Geburt und nicht durch Mord!« Adrien war mit einem Wutschrei aufgesprungen.
»Ruhe!«, verlangte Dathan aufgebracht.
»Schon wieder diese alten, haltlosen Verleumdungen!« Gérard stand seinerseits auf und beugte sich drohend vor.
»Prinz?« Entgeistert sah ich zwischen den beiden hin und her – und dann zu Julien. Seine Miene war absolut reglos. Ich musste das Wort vor Schreck laut ausgesprochen haben – zumindest laut genug, dass Radu mich hatte hören können, denn er beugte sich zu mir.
»Dein Leibwächter und sein Zwillingsbruder sind Prinzen, Doamnej, durch Geburtsrecht – wenn auch jetzt im Exil. Gérard versucht schon lange ihnen dieses Recht aberkennen zu lassen. Bisher ohne Erfolg. – Adrien ist der Erstgeborene. Ihr Vater, Sebastien, war der Fürst von Marseille. Hat dir das niemand gesagt?« Irritiert schaute ich ihn an. Und schüttelte den Kopf. Julien, ein Prinz? Von Marseille? Ich blickte wieder zu ihm hin. Jetzt machte seine Besessenheit bezüglich dieser Stadt, seine Wut auf die Fürsten, weil sie ihnen nicht gegen die Deutschen geholfen hatten, noch viel mehr Sinn … Lieber Himmel, was wusste ich noch alles nicht über ihn? Am Ende gab es noch irgendwo eine wunderschöne Lamia, mit der er verlobt oder zumindest – wie nannte man das, ach ja – versprochen war. Innerlich zog ich die Schultern in die Höhe. Nein! Nein, das hätte er mir gesagt.
Es gelang mir trotzdem nicht, mir die Frage zu verbeißen. »Gab es jemand, den er … heiraten sollte?«
Radu runzelte unwillig die Stirn. »Für Julien existierte kein Kontrakt. Er hat sich geweigert. – Adrien war mit Lasja verlobt.« Er neigte den Kopf zu der silberblonden Fürstin hinüber, die – als hätte sie Radus Bewegung bemerkt – genau in diesem Moment zu uns herübersah. »Die Verbindung wurde jedoch gelöst, als die Zwillinge Marseille verloren und sich den Vourdranj anschlossen. Die beiden sind nicht im Frieden auseinandergegangen.« O mein Gott. Armer Adrien. »Und jetzt still!«
Adrien und Gérard gifteten sich inzwischen quer durch den Saal auf Französisch an. Ich hatte nicht mitbekommen, wie sie die Sprache gewechselt hatten. Konzentrier dich, Dawn!
»Ruhe!« Dathan tauschte gerade den Dolch gegen seine Faust. Ich zuckte zusammen.
»Adrien.« Julien starrte noch immer geradeaus und doch war ich sicher, über dem Geschrei seine Stimme gehört zuhaben. »Adrien!« Was Dathan nicht geschafft hatte, brachte er zustande. Sein Bruder brach mitten im Satz ab. Auch Gérard hielt inne – vermutlich allerdings eher aus Verwirrung, weil Adrien so unvermittelt schwieg.
»Lass es gut sein, Adrien.« Julien hatte den Kopf zwar ein wenig gesenkt, drehte sich aber nicht nach seinem Zwilling um. »Wir wissen, wer den letzten rechtmäßigen Fürsten von Marseille ermordet hat. Er weiß es. Sie wissen es auch, selbst wenn sie es nach wie vor nicht zugeben wollen.« Seine Worte kamen seltsam … schleppend, als fiele es ihm schwer, sie überhaupt halbwegs verständlich hervorzubringen. »Du wirfst Perlen vor die Säue.« Er ignorierte das vereinzelte empörte Gemurmel, leckte sich über die Lippen. »Spar dir den Atem.« Jetzt erst wanderte sein Blick zu Gérard. »Wir sind, was wir
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