Das Blut Des Daemons
blieben sie mit ihm stehen. Wankte Julien tatsächlich kaum merklich in ihrem Griff? Radu legte die Hand fester auf meinen Arm. Einer der beiden Vourdranj bückte sich, hob die Kette vom Boden auf und schloss sie an Juliens Fesseln, während der zweite, Pádraig, ihn weiter festhielt – bis der andere ihm mit einem Nicken zu verstehen gab, dass Julien nirgendwohin mehr gehen würde. Erst dann traten sie zurück und nahmen hinter ihm Aufstellung.
Julien blinzelte ein paarmal wie jemand, der versucht aus einem Traum zu erwachen, presste die Lider wieder und wieder kurz und fest zusammen, als könne er nicht klar sehen, versuche einen Schleier vor seinen Augen zu vertreiben. Seine Finger tasteten die obersten Glieder der Ketten entlang, abwärts, schlossen sich um sie. Jetzt spannte sie sich straff zwischen seinen Händen und dem Boden. Beinah schien es, er würde sie als Gegengewicht benutzen, um sich besseraufrecht halten zu können. War sein Blick bisher irgendwie unscharf ins Leere gegangen, glitt er jetzt über die Ratsmitglieder. Seine Augen waren schwarz. An einigen blieben sie hängen, musternd, nachdenklich, so als versuche er, sich an irgendetwas zu erinnern, nur um dann weiterzuwandern. Auf mir verharrten sie eine Sekunde länger, und auch wenn sein Gesicht vollkommen ausdruckslos blieb, glaubte ich in ihnen Verblüffung zu sehen, darüber, dass ich hier war – und einen Moment später Ärger. Er wollte mich nicht hierhaben! Noch nicht einmal jetzt. Wann hatte er zuletzt getrunken? Hatten sie ihn überhaupt trinken lassen? Gérard sicher nicht. Und hier, in Griechenland? Falls nicht, musste er halb verhungert sein. Bitte nicht! Das Schwarz seiner Augen musste einen anderen Grund haben. Ich klammerte die Finger um die Armlehnen meines Stuhles. Radu warf mir einen scharfen Blick zu. Julien starrte jetzt wieder einfach nur geradeaus über die Köpfe der Ratsmitglieder hinweg. Angespanntes Schweigen hing im Saal. Warnend drückte mein Großvater noch einmal meinen Arm, dann lockerte er seinen Griff, jedoch ohne die Hand gänzlich fortzunehmen. Der dunkelhäutige Fürst, Dathan, klopfte mit dem Griff seines Dolches vor sich auf das Holz – wohl um die Aufmerksamkeit aller auf sich zu lenken und zugleich endgültig Ruhe zu fordern – und erhob sich. Falls er etwas hatte sagen wollen, kam er nicht dazu. Die Tür wurde aufgerissen. Alle Blicke zuckten herum.
»Nimm die Hände weg, Ramon, es ist mein Recht, hier zu sein!« Adrien stieß gerade eine der Vourdranj-Wachen zurück, die ihn daran hindern wollte, den Saal zu betreten. Es war der Gleiche, der auch mir den Weg versperrt hatte. Ein Zweiter und ein Dritter erschienen hinter ihm, packten ihn auf ähnliche Weise an den Armen wie die beiden anderen zuvor Julien und wollten ihn zurückhalten. Unwilliges Gemurmel erklang.
»Schafft ihn raus!«, verlangte jemand aufgebracht.
Juliens Wachen hatten sich ebenfalls umgedreht. Pádraig war näher an ihn herangetreten, der andere hatte sich zwischen ihn und die Tür – und damit zwischen ihn und seinen Zwilling – geschoben, als rechneten sie damit, dass Adrien mit Gewalt versuchen würde zu seinem Bruder zu gelangen. In ihren Händen glänzten jene mörderisch langen Dolche, die ich zuvor schon bei Julien gesehen hatte. Auch der hatte sich halb umgewandt. Einen Augenblicklang sah es so aus, als würde die Bewegung ihn sein Gleichgewicht kosten, doch dann hatte er sich wieder gefangen.
»Verdammt, Adrien, du gehörst nicht zum Rat …« Der Vourdranj namens Ramon hatte ihm eine Hand auf die Brust gesetzt, um ihn mithilfe der beiden anderen aus dem Raum zu drängen, während er zugleich mit der zweiten nach der Tür langte, um sie wieder zu schließen. Adrien stemmte sich mit gefletschten Fängen gegen ihn.
»Er ist mein Bruder! Es ist mein Recht …«
»Aufhören!«
Schlagartig war es still. Der Mönch hatte gerade laut genug gesprochen, um über dem Trubel gehört zu werden. Trotzdem ließen die Vourdranj von Adrien ab, als stünde er plötzlich in Flammen. Keiner rührte sich. Sekundenlang schienen Adriens heftige Atemzüge das einzige Geräusch im Saal zu sein.
»Panaos …«, setzte einer der Fürsten an, doch eine knappe Geste der Gestalt in dem dunklen Gewand hieß ihn schweigen.
»Steht einer vor Gericht, ist es das Recht eines Blutsverwandten, bei der Verhandlung anwesend zu sein, damit er vor den anderen ihrer Blutlinie bezeugen kann, dass das Gericht nach dem Gesetz geurteilt hat.« Die Worte
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