Das Blut Des Daemons
braucht, der bis vor wenigen Tagen sogar noch ein Lamia war, kann keiner sagen.« Er zuckte die Schultern. »Ich war selbst entsetzt, als Dathan sagte, Julien würde die Gnade versagt, dass ihm ein Vourdranj das Genick bricht, wenn seine Haut Feuer fängt … nun, wie auch immer. Der Handel, den ich dir vorschlagen möchte, Dawn, ist folgender: Ich beschaffe dir ein schnell wirkendes Gift, mit dem du verhindern kannst, dass der arme Julien noch am Leben ist, wenn er verbrennt. Im Gegenzug gibst du mir das, was vom Blut der Ersten übrig ist, und überlässt mir außerdem etwas von deinem eigenen Blut für meine Forschungen.«
Ich presste meine Handflächen gegeneinander, um zu verhindern, dass sie sich erneut zu dem Röhrchen stahlen – und um zu vermeiden, dass Gérard sah, wie sehr meine Hände zitterten. »Forschungen?«
»Ich suche nach einem Heilmittel gegen die Krankheit, die immer mehr Lamia befällt. – Nicht ganz uneigennützig, wie dir unschwer entgangen sein dürfte. – Also? Kommen wir ins Geschäft?«
Ich zögerte, schluckte hart. O Gott, was tat ich hier? »Wie soll ich ihm das Gift bringen? Ich wollte schon einmal zu ihm, aber die Wachen haben mich daran gehindert.«
Gérard neigte den Kopf. »Ich werde dafür sorgen, dass du zu ihm gelassen wirst. – Nun?«
Ein Gift, das Julien ein grausames Ende ersparte, gegen etwas, das mir rein gar nichts bedeutete, und eine Probe von meinem Blut? Und ich würde die Chance bekommen, ihn noch einmal zu sehen?
Ich holte langsam Luft. Vor mir saß Gérard d’Orané. DerLamia, der Juliens Eltern auf dem Gewissen hatte. Der ihn und seinen Bruder hasste; sie seit Jahrzehnten verfolgte. Hatte ich wirklich vor, ausgerechnet ihm zu trauen? – Die Antwort war einfach: Ja! Wenn ich Julien damit helfen konnte, würde ich genau das tun.
In meinem Magen saß ein würgender Knoten, als ich nickte. »Einverstanden. Eine Probe von meinem Blut und was vom Blut der Ersten übrig ist, gegen ein Gift, das dafür sorgt, dass Julien nicht mehr lebt, wenn … wenn …«
»… er verbrennt.« Gérard lächelte. »Sehr schön. – Ich denke, wir verzichten besser darauf, unseren Handel mit einem Handschlag zu besiegeln, nicht dass der gute Olek noch argwöhnisch wird.« Er neigte den Kopf. »Ich hoffe, du bist dir im Klaren darüber, dass das, was wir vorhaben, in der Regel mit dem Tod bestraft wird, wenn es ans Licht kommt. Du solltest unsere Pläne also besser für dich behalten.« Er erhob sich.
»Aber …?« Verwirrt sah ich ihn an.
Sein Lächeln wurde spöttisch. »Du hast doch nicht etwa erwartet, dass ich das Gift bereits bei mir habe?« Er schnalzte mit der Zunge. »Ich muss es erst aus Marseille bringen lassen. – Sei eine Stunde nach Mitternacht wieder hier, dann kannst du es haben.«
Ich öffnete den Mund, wollte ihn fragen, ob er es mir nicht schon früher beschaffen konnte, damit mir mehr Zeit mit Julien blieb. – Doch ehe ich noch irgendetwas sagen konnte, hatte er mir noch einmal zugenickt, strebte mit langen Schritten auf den Durchgang zum Korridor zu und verschwand dahinter.
Ich saß da und sah ihm nach. Meine Kehle war wie zugeschnürt. Ich hatte vor, Gérard d’Orané zu vertrauen. Es fühlte sich an, als hätte ich gerade einen Pakt mit dem Teufel geschlossen. Ich schlang die Arme um mich und schloss dieAugen. Aber ich konnte doch nicht tatenlos zusehen, wie Julien langsam und elendig bei lebendigem Leibe verbrannte.
… zum Morgenlicht
O lek kam zurück, kaum dass Gérard fort war, und saß eine Weile still neben mir auf der Bank. Irgendwann bat ich ihn, mich allein zu lassen, und er tat es. Jedoch nicht, ohne mich mit einem sehr langen besorgten Blick zu betrachten. Dann stand Vlad vor mir; ich wünschte ihn zum Teufel, verlangte »Ich will allein sein« – und er ging tatsächlich. Und danach … Ich muss noch eine Zeitlang auf der Bank gesessen haben, irgendwann ruhelos durch Gänge und Korridore gestreift sein. Dumpf. In dem verzweifelten Versuch, nicht zu denken. – Mir nicht vorzustellen, was bei Sonnenaufgang geschehen würde …
Pünktlich eine Stunde nach Mitternacht stand ich bei dem Felsen, einige Minuten früher sogar, weil ich fürchtete, Gérard würde einfach wieder gehen, wenn ich nicht da war. – Er ließ mich warten. Sekunden, die sich wie Stunden anfühlten, aus denen Minuten wurden, die ebenso gut Ewigkeiten hätten sein können. Mit jedem Augenblick, der verging, zog sich etwas in meinem Inneren enger
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