Das Blut Des Daemons
zusammen.
Irgendwann erschien er dann doch – und schien alle Zeit der Welt zu haben. Er machte sich nicht die Mühe, sicherzustellen, dass wir allein waren – offenbar erwartete er, dass ich das getan hatte –, sondern winkte mich in eine Ecke des Wandelganges, die nicht sofort einsehbar war, sollte doch jemand ausgerechnet jetzt hierherkommen. Ich folgte seiner Geste und hoffte, er würde nicht bemerken, wie sehr ich innerlich zitterte. Ohne eine Begrüßung griff er in die Tascheseines Jacketts, holte ein kleines Fläschchen hervor und hielt es mir hin.
»Voilà, meine Liebe, wie ausgemacht.«
Meine Finger bebten, als ich es ihm abnahm. Ich hielt Juliens Tod in den Händen. Plötzlich fühlte ich mich hilflos. Gérard schloss meine Finger darum. Seine Berührung ließ mich schaudern. Etwas wie ein kaltes Lächeln schien für einen Sekundenbruchteil um seine Lippen zu zucken, doch ehe ich mir sicher sein konnte, war es schon wieder fort. Ich schluckte hart. Konnte ich ihm wirklich vertrauen? – Aber hatte ich eine andere Wahl, wenn ich verhindern wollte, dass Julien bei Sonnenaufgang bei lebendigem Leibe verbrannte? – Auch wenn sich das hier noch immer anfühlte, als hätte ich dem Teufel meine Seele verkauft: Es gab keinen anderen Ausweg!
»Vielleicht solltest du es in die Tasche stecken, ehe es tatsächlich noch jemand sieht. Immerhin beabsichtigst du ja, ein Urteil des Rates zu hintertreiben«, schlug er vor – und neigte den Kopf in einem wortlosen brav , als ich es tat. Das Fläschchen schien sich durch die Tasche meiner Hose bis auf meine Haut zu brennen. »Er muss den ganzen Inhalt trinken. Es wirkt relativ schnell, also nimmt er es am besten erst, wenn sie ihn holen kommen, damit niemand Verdacht schöpft.«
Ich nickte stumm.
»Es schmeckt ein wenig bitter, aber das vergeht.« Er musterte mich.
»Tut es … weh?« Irgendwie fiel es mir schwer, allein den Gedanken in Worte zu fassen.
Gérard hob die Schultern. »Wir reden von Gift, meine Liebe. Einen Tod, der nicht wehtut , gibt es nicht.« Sein Blick wurde für einen winzigen Moment schmal, ehe er weitersprach. »Wenn du willst, dass es weniger schmerzhaft ist und noch schneller wirkt, lässt du ihn von dir trinken, nachdemer es genommen hat.« Er musterte mich erneut sekundenlang. »Und vielleicht wäre es klug, ihm nicht zu sagen, von wem du es hast. Er würde es sonst wohl kaum schlucken.«
Ich nickte abermals. Er hatte recht. – Aber auch wenn ich es hasste, Julien so zu hintergehen: Ich konnte den Gedanken nicht ertragen, dass ihn sonst ein langsamer, entsetzlicher Tod erwartete. »Was ist mit den Wachen? Werden sie mich zu ihm lassen?«
»Wie versprochen, meine Liebe. Es ist alles geregelt.« Gérard klang wie ein freundlicher Onkel, der einen heimlichen Besuch im Zirkus arrangiert hatte. Konnte man einen Menschen allein dafür hassen? Ich tat es.
»War es das?«
»Abgesehen von der Kleinigkeit meiner Bezahlung?«
Meine Hand ging zu der Kette. Ich machte einen Schritt zurück.
»Ich gebe es Ihnen, wenn … alles vorbei ist.«
Sein Blick wurde eine Sekunde lang erneut schmal.
»So misstrauisch? – Nun ja, es sollte mich nicht erstaunen, bedenkt man, mit wem du in den letzten Wochen zusammen warst.« Er trat wieder näher an mich heran. »Solange du nicht vergisst, dass du deine Hälfte unseres Handels noch erfüllen musst, will ich mich für den Moment mit einer kleinen … Anzahlung zufriedengeben. – Ein paar Schluck von deinem Blut und ich gedulde mich mit dem Rest meiner Entlohnung, bis der liebe Julien tot ist.«
Nur die Vorstellung, seinen Mund an meinem Hals zu haben, weckte in mir Übelkeit – während eine kleine gehässige Stimme mich zugleich daran erinnerte, dass er in irgendeiner Verbindung zu Samuel gestanden hatte.
»Und was, wenn ich mich weigere?« In dem Versuch, entschlossen zu wirken, schob ich das Kinn vor. Und hoffte, dass er das Beben in meiner Stimme nicht hörte.
»Nichts.« Beinah gleichgültig hob er die Schultern. »Allerdings denke ich nicht, dass es dir besonders zupasskommen dürfte, wenn einer deiner Großonkel oder dein Großvater in den nächsten Stunden nach dir suchen sollte.«
Vlad hatte mir versprochen, dass sie mich bis Sonnenaufgang in Frieden lassen würden – aber wer sagte mir, dass eine entsprechende Bemerkung Gérards sie nicht vielleicht trotzdem auf die Suche nach mir schickte? Hilflos ballte ich die Fäuste. Hatte ich eine andere Wahl? Die Antwort war klar.
»Das nennt man
Weitere Kostenlose Bücher