Das Blut Des Daemons
gesagt, man könne süchtig nach dem Blut eines Lamia werden. – Jedes Mal, wenn ich von ihm trank, wuchs meine Angst, dass ich es inzwischen tatsächlich sein könnte. Allein bei dem Gedanken daran erwachte in meinem Inneren ein Zittern, eine … Gier, die ich nur schwer beschreiben konnte. Wenn ich zusah, wie er sich selbst den Arm aufriss und sein Blut rot und warm über seine Haut quoll, wurde mir heiß und kalt zugleich; und wenn ich meinen Mund über die Wunde legte und trank … war es für mich endgültig nicht mehr in Worte zu fassen. Ich konnte mich in diesem dunklen, leicht kupfernen und gleichzeitig irgendwie süßen Geschmack verlieren.
Dabei hatte mich beim ersten Mal, als er sich die Zähne in den Arm geschlagen und ihn mir mit einem eindringlichen »Trink!« unter die Nase gehalten hatte, noch das blanke Grauen befallen, hatte allein der Anblick seines Blutes genügt, um die Erinnerung an das zu wecken, was Onkel Samuel in dem Keller meines alten zu Hauses mit mir – und Julien – angestellt hatte. – Inzwischen erwachte nach einer gewissen Zeit die Angst in mir, dass er mich möglicherweise nicht noch einmal von sich trinken lassen würde – zusammen mit einem nagenden Hunger. Und die Spanne wurde mit jedem Mal kürzer.
Ich hob den Kopf und sah Adrien voll hilflosem Ärger an. »Ja, so weit ist es schon.«
Hatte ich erwartet, dass er noch irgendetwas sagen würde? Was war ich doch für ein dummes Schaf. Adrien gab meinen Blick nur kühl – und wortlos – zurück.
Ich ertrug ihn ungefähr eine Minute, dann schob ich mich von meinem Bett hinunter und ging zur Tür. Zumindest wollte ich das, doch Adrien stand neben mir, noch ehe ich mehr als einen Schritt getan hatte, und hielt mich am Arm zurück. Nicht so fest, dass er mir wehgetan hätte, aber fest genug, um mir zu sagen, dass ich nirgendwohin ging, solange er es mir nicht erlaubte.
»Wo willst du hin?«
»Dass ich sterbe, bedeutet nicht, dass ich den ganzen Tag nur noch im Bett liege und mir selbst leidtue. Ich will noch ein bisschen was von meinem Leben haben. Dazu gehört die Schule. Und zu der gehören nun mal Hausaufgaben.« Mit einem Ruck versuchte ich mich loszumachen. Mit dem zu erwartenden Erfolg. Inzwischen sollte ich es wirklich besser wissen. Unvermittelt war Galle in meinem Mund. Ich schluckte sie unter, sah ihn wütend an und zerrte erneut an seinem Griff. »Wo ist meine Tasche?« Hier in meinem Zimmer hatte ich sie zumindest bisher nicht entdeckt.
Mit ein paar Sekunden Verzögerung gab Adrien mich frei und trat zurück. »Draußen. Im Auto. Ich hatte die Hände voll, als ich dich hier heraufgetragen habe.«
Ich ignorierte seine zynische Bemerkung. »Holst du siemir oder darf deine Gefangene selbst hinausgehen?«, erkundigte ich mich stattdessen bissig.
Adrien hob eine Braue. »Sprichst du so auch mit meinem Bruder? Dann wundert es mich, dass du noch am Leben bist.«
»Du bist nicht dein Bruder«, schnappte ich dagegen. »Also, was ist?«
»Ich hole sie dir.« Diesmal war der Ärger in seinem Ton nicht zu überhören.
Ich verkniff mir jede weitere Bemerkung und folgte ihm die Treppe hinunter, eine Hand fest am Geländer, um nicht bei einem unvermittelten Schwindelanfall zu stolpern und mir am Ende bei einem Sturz noch das Genick zu brechen. Für einen kurzen Moment kam mir erneut der Gedanke an Flucht, als er sich zur Haustür wandte, doch ich verwarf ihn gleich wieder und durchquerte die kleine Halle mit den dunkel getäfelten Wänden in die andere Richtung, zum hinteren Teil des Hauses, in das zweite, größere Wohnzimmer, das Julien und ich dem kleineren gegenüber der Küche im vorderen Bereich vorzogen.
Ich breitete mich mit meinen Büchern großzügig auf dem schweren Ledersofa und dem flachen Glastisch davor aus und versuchte meine Hausaufgaben zu erledigen. Die Decke, unter der ich den gestrigen Abend und die halbe Nacht hier unten auf dem Sofa verbracht hatte, lag noch immer zusammengeschoben an einem Ende. Der Schmerz in meinem Magen hatte sich wieder in ein vages, halbwegs erträgliches Ziehen verwandelt. Adrien hatte sich auf der anderen Seite des Tisches in dem dazugehörigen Sessel niedergelassen und sah mir, ein Bein entspannt über einer Armlehne, schweigend dabei zu, wie ich mich abmühte.
Den Aufsatz für Spanisch legte ich nach einer Seite weg, obwohl er nicht mal annähernd zur Hälfte fertig war. Bei Chemie und Geschichte kapitulierte ich noch schneller. Es gelangmir nicht, mich länger als ein
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