Das Blut Des Daemons
auf eine vage Hoffnung hin. Wir kennen nur die Legenden. Kannst du sagen, ob sie wahr sind? Keiner kann das.« Mit einem bedauernden Kopfschütteln hob er die Rechte ein wenig mehr. »Du weißt ja nicht einmal, ob es irgendetwas bewirkt . Ist dir denn nicht klar, dass du sie damit auch töten könntest?«
Für einen Sekundenbruchteil zuckte Juliens Blick zu mir, huschte wieder zu seinem Bruder. Er machte einen Schritt zurück.
»Dieses Risiko kannst du doch nicht eingehen.« Adrien folgte ihm, hob die Hände noch ein Stückchen weiter. »Papa hat dir vertraut, als er dich zum Hüter machte. Einen größeren Beweis seines Vertrauens konnte er dir gar nicht geben. Du willst sein Vertrauen nicht auf diese Weise enttäuschen, oder? Julien, du hast ihm dein Wort verpfändet.« Sein Ton wurde mit jedem Satz beschwörender. »Unsere Blutlinie stellt den Hüter seit Anbeginn.« Noch ein Schritt. »Als du Papa dein Wort gegeben hast, hast du die Verantwortung dafür übernommen. Hast geschworen, es vor den Begehrlichkeiten der anderen zu verbergen und zu schützen. Wenn nötig mit deinem Leben. Aber es gehört dir nicht. Du bist nur sein Hüter. Du hast kein Recht, es nach deinen eigenen Wünschen zu benutzen.« Wieder ein Kopfschütteln. Er hatte Julien beinah erreicht. »Was du vorhast, ist ein Frevel an allem, was uns heilig ist. Das Erbe von Jahrhunderten, Jahrtausenden für ein Leben opfern? Julien? Wo ist da die Relation? Sosehr du sie liebst, das kann sie nicht wert sein.« Kaum mehr als eine halbe Armlänge trennte die beiden voneinander. Adrien sah seinem Bruder jetzt direkt in die Augen. Julien blinzelte. »Ich kann das nicht zulassen, Kleiner.« Er streckte die Hand aus. Julien schlug sie weg – und stürzte sich auf ihn. Mit einem Wutschrei, der wie ein Fluch klang. Adrien versuchte auszuweichen, doch sein Zwillingwar schneller. Der Couchtisch ging krachend unter ihnen zu Bruch. Fassungslos wich ich zurück. Juliens Faust traf Adrien am Kinn, riss seinen Kopf zurück. Sie rollten durch die Scherben. Knurrend. Ich flüchtete auf das Sofa, über dessen Lehne und gegen die Wand, drückte mich in die Ecke.
»Aufhören! Julien, nicht! Hört auf!« Meine Stimme ging in ihrem Fauchen und Grollen unter.
Adrien schaffte es auf die Knie, doch Julien brachte ihn erneut zu Fall. Ich sah seine Reißzähne. Seine Augen waren schwarz. Die Hände zu Klauen gekrümmt. Wieder schlug er zu. Hart. Unerbittlich. Wütend.
»Nicht!«
Adrien brüllte etwas. Juliens Antwort war ein Heulen, ein weiterer Hieb. Ein gefährlich langer Dolch segelte durch die Luft und landete klappernd auf dem Boden. Sie kamen halb in die Höhe. Juliens Lippe war aufgeplatzt. Adrien blutete aus der Nase. Einer versuchte den anderen zu fassen zu bekommen. Abermals langte Adrien nach der Kehle seines Zwillings. Abermals schlug Julien seine Hand weg, drosch wieder zu, schmetterte seinen Bruder gegen die Kamineinfassung. Die Scheiben klirrten.
»Hört doch auf! Bitte!«
Sie fielen ein weiteres Mal übereinander her. Knurrend und keuchend.
Und dann lag Adrien plötzlich unter seinem Bruder, Juliens Knie zwischen seinen Schulterblättern, das Gesicht auf den Boden gedrückt, den einen Arm in Juliens Griff irgendwie nach hinten verdreht, den anderen unter Juliens Bein gefangen. Schwer atmend kniete Julien über ihm, hielt ihn scheinbar mit seinem ganzen Gewicht nieder.
»Hol mir etwas, womit ich ihn fesseln kann!«
Ich starrte auf die beiden hinab. Adrien bäumte sich auf, bockte wie ein Pferd in dem Versuch seinen Bruderabzuschütteln. Zischend stemmte der ihm das Knie fester zwischen die Schultern, verdrehte seinen Arm noch weiter. Adrien ächzte.
»DAWN!«
Ich machte einen erschrockenen Satz, blinzelte. Julien sah zu mir auf. Seine Eckzähne schimmerten viel zu lang hinter seinen Lippen.
»W-was?« Es war eher ein Wimmern.
»Ich brauche etwas, womit ich ihn fesseln kann.«
Ich starrte ihn noch immer benommen an.
»Deine Schals! Hol mir deine Schals!«
Ich stand einfach nur da. Wieder bäumte Adrien sich auf.
Julien fluchte, fletschte die Zähne, drückte ihn fester auf den Boden. »Geh schon!«, zischte er ungeduldig.
Ich schrak zusammen. Irgendetwas in mir schien endlich zu begreifen, was er wollte, und ich drehte mich um, flüchtete aus dem Raum und stürzte die Treppe hinauf. In meinem Zimmer riss ich die Türen meines Kleiderschranks auf, zerrte hektisch Schubladen heraus. Eine halbe römische Edelboutique quoll mir entgegen. Unterwäsche,
Weitere Kostenlose Bücher