Das Blut Des Daemons
Adrien zurück. »Du bist allein?« Kein Lächeln, keine Begrüßung, einfach nur diese kühle, reservierte Frage.
»Ja.« Adrien nickte.
»Gut.« Juliens Hand kam neben seinem Bein zum Vorschein. »Hat er dir etwas getan?« Ich brauchte eine Sekunde, um zu begreifen, dass diese Frage mir galt und nicht Adrien, da Julien seinen Bruder nach wie vor unverwandt ansah. Woher wusste er … Als ich merkte, dass ich die Luft angehalten hatte, stieß ich sie wieder aus und brachte irgendwie ein Kopfschütteln zustande.
Noch immer ohne Adrien aus den Augen zu lassen, neigte Julien ein ganz klein wenig den Kopf. »Sicher? Du riechst nach Angst.«
Beinah hätte ich abermals die Luft angehalten. Ich schluckte. Das da in der Tür war Julien; aber der andere Julien, der Vourdranj, die Seite an ihm, die er sich bemühte, mich nicht sehen zu lassen. Oder zumindest nicht allzu oft.
»Er hat mir nichts getan.« Ich versuchte überzeugend zu klingen, obwohl meine Stimme nicht mehr als ein Flüstern war. Ob Julien mir glaubte, konnte ich nicht abschätzen.Seine Miene gab nichts preis. Zumindest beließ er es für den Moment dabei und kam – jetzt scheinbar vollkommen entspannt – weiter in den Raum. Den Blick nach wie vor auf seinem Zwilling.
»Was willst du hier, Bruder?« Er sprach noch immer erschreckend kalt.
»Verhindern, dass du etwas tust, was du später mit Sicherheit bereust.« Adriens Ton war weich, so als versuche er ein bockiges Kind zur Vernunft zu bringen.
Julien schnaubte spöttisch. »Dann verschwendest du deine Zeit.« Er wies mit dem Kopf hinter sich. »Da ist die Tür.«
Mir blieb der Mund offen stehen. Als die beiden sich das letzte Mal gesehen hatten, hatte Julien sich an seinen Bruder geklammert, als wolle er ihn nie wieder loslassen, und nun … warf er ihn regelrecht raus?
»Julien …« Adrien machte einen Schritt auf ihn zu, doch dessen brüskes Kopfschütteln stoppte ihn.
»Nein. Es ist alles gesagt, was es zu sagen gab. Dass du hier bist, ändert nichts an meinem Entschluss. – Geh wieder.«
»Komm zur Vernunft, Kleiner. – Ich weiß, wie es sich anfühlt …«
»Gar nichts weißt du!«, zischte Julien dazwischen und ballte die Fäuste. »Und jetzt geh!«
An Adriens Kiefer zuckte es. »Das werde ich nicht erlauben.«
»Ach? Nein?« In geheuchelter Überraschung hob Julien eine Braue. Es sah genauso aus wie bei seinem Bruder.
»Nein!« Allmählich wurde Adriens Ton schärfer. »Ich werde nicht zulassen, dass du Papas Legat verrätst, mit Füßen trittst, was unserer Familie seit Jahrhunderten heilig ist, und unsere Ehre besudelst.«
»Ach so, ja, unsere kostbare Familienehre … Ich vergaß.« Julien schnalzte mit der Zunge, als wolle er sich selbst tadeln.Er klang trügerisch sanft. Auch als er weitersprach. »Weißt du, was mir unsere kostbare Ehre im Moment bedeutet? Oder das hier?« Er zog seine goldene Kette unter dem Kragen des Hemdes hervor. Adrien schnappte nach Luft. Neben dem St.-Georgs-Medaillon hing ein schmaler goldener Zylinder. »Nichts! Gar nichts!« Die Worte waren ein Fauchen, bei dem man seine Eckzähne sehen konnte.
»Es war also tatsächlich die ganze Zeit in Marseille.« Wie hypnotisiert machte Adrien erneut einen Schritt auf ihn zu.
»In einer der Calanques.« Julien ließ die Kette los. Sie fiel mit dem leisen Klingen von Gold gegen Gold auf seine Brust zurück. »Und jetzt verschwinde. Du bist hier nicht willkommen.«
»Julien …« Meine Stimme versagte. Das konnte er doch nicht tun! Er liebte seinen Bruder.
Keiner der beiden beachtete mich.
Adrien riss seinen Blick von Juliens Brust los, sah ihn wieder an. »Du weißt, dass ich das nicht gestatten kann, Kleiner.«
»Du kannst mich, Adrien. Hau endlich ab. Ich habe nicht die Zeit, mich mit dir zu streiten.«
»Julien, bitte, denk nach. Komm zur Vernunft.« Die Hände halb erhoben und nach seinem Bruder ausgestreckt, trat Adrien weiter auf ihn zu. »Sie haben uns Marseille genommen. Willst du das auch noch aufgeben? Einfach … wegwerfen? Es ist alles, was uns geblieben ist.«
Julien verfolgte jede Bewegung seines Zwillings mit schmalen Augen, reglos, feindselig. An seinen Seiten hatte er die Fäuste geballt. Sie zitterten.
»Auch ich habe schon geliebt. Ich verstehe, wie es sich anfühlt, etwas zu verlieren, das einem so teuer ist.« Adriens Stimme war wieder zu einem sanften Schmeicheln geworden. Ein weiterer Schritt brachte ihn noch näher an Julien heran.»Aber du kannst das nicht alles aufgeben, bloß
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