Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Blut Des Daemons

Titel: Das Blut Des Daemons Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Raven
Vom Netzwerk:
Nachthemden, Pyjamas, T-Shirts, die Einkäufe meines Großvaters Radu. Edel, teuer und nicht mein Stil. Ich warf alles auf den Boden, wühlte, bis ich endlich die Richtige gefunden hatte, packte, was mir an Schals unter die Finger kam, und hetzte wieder hinunter.
    In der Tür zum Wohnzimmer stockte ich. Jetzt war auch der riesige Flachbildfernseher zerschlagen. Der Sessel umgekippt. An Juliens Wange klaffte ein tiefer Riss. Adrien lag erneut unter ihm und versuchte seinen Zwilling nach wie vor abzuschütteln. Und wie zuvor war sein Arm nach hinten verdreht und nach oben zu seinem Kopf hin gestreckt. Sie waren ein gutes Stück näher beim Kamin und keuchten beide, als hätten sie einen Marathonlauf hinter sich. Zögerndwagte ich mich weiter heran, ließ die Schals neben Julien fallen, flüsterte hilflos: »Das kannst du nicht tun.«
    Nur ganz kurz streifte mich sein Blick, dann zerrte er einen Schal aus dem Bündel, schüttelte ihn aus. Seide. Ockerfarben. Crushoptik. Eigentlich ganz hübsch.
    »Julien …«, flehte ich noch einmal.
    Wortlos fesselte er seinem Bruder die Hände auf den Rücken. Es ging schnell. Und trotzdem hätte Adrien sich um ein Haar losgerissen. Ich zuckte zusammen, als Julien den Knoten festzurrte. Erst jetzt nahm er sein Gewicht vom Rücken seines Bruders.
    Sofort drehte Adrien sich halb auf die Seite. »Komm endlich zu dir!«, versuchte er es abermals. »Du kannst nicht wirklich den Schwur brechen wollen, den du Papa geleistet hast. Das kann nicht dein Ernst sein.«
    »Tais-toi!« Julien fasste ihn beim Arm und zog ihn auf die Knie.
    »Er war immer stolz auf dich. Er hat die alten Traditionen gebrochen, indem er dich zum Hüter gemacht hat und nicht mich.«
    »Arrête!«
    »Wenn er wüsste –« Ein weiterer meiner Schals als Knebel brachte ihn zum Schweigen. Fassungslos beobachtete ich, wie Julien ihn in Adriens Nacken verknotete.
    »Debout!«, befahl er dann, zerrte seinen Bruder endgültig auf die Beine und schob ihn – eine Hand an Adriens Arm, in der anderen das Bündel Schals – an mir vorbei zur Tür. Dass Adrien sich gegen seinen Griff stemmte und unverständliche Laute hinter dem Knebel hervordrangen, ignorierte er.
    »Was hast du vor?« Das konnte doch nicht Juliens Ernst sein?
    »Im Keller wird er uns keine Schwierigkeiten machen. – Ich bin gleich wieder da.«
    Benommen schaute ich ihnen nach. Dann wandte ich mich um und starrte auf das Chaos, das vor keiner halben Stunde noch ein Wohnzimmer gewesen war. Meine Knie zitterten. Das hier war ein Albtraum. Ich schlang die Arme um mich. Das Zittern breitete sich immer weiter in meinem Körper aus. Ich musste etwas tun. Irgendetwas. Wenn ich nichts tat, würde ich in der nächsten Minute anfangen hysterisch zu kreischen. Auf dem Boden war Blut. In meinem Magen erwachte das Brennen wieder. Ich schluckte mühsam dagegen an, riss den Blick davon los, zwang meine Beine sich zu bewegen, tappte zu dem Sessel hinüber, stellte ihn umständlich auf. Daneben glänzte etwas Kleines, Goldenes zwischen einigen Splittern. Vorsichtig hob ich es auf. Juliens St.-Georgs-Medaillon. Die Kette hing noch daran. Direkt neben dem Verschluss war sie gerissen. Plötzlich bebte meine Hand. Beinah panisch sah ich mich um. Mein Herz schlug viel zu schnell, meine Kehle war wie zugeschnürt. Ich machte unwillkürlich einen Schritt zurück, als es unter meinen Füßen krachte. Hektisch drehte ich mich um mich selbst. Scherben knirschten. Meine Finger hatten sich so fest um Kette und Amulett geschlossen, dass dessen Rand sich in meine Haut grub.
    Ich entdeckte es zwischen den Trümmern des Fernsehers. Von einem Atemzug zum nächsten waren meine Handflächen schweißnass. Ohne es wirklich zu merken, wischte ich sie an meiner Hose ab, während ich den Raum durchquerte und stockend davor in die Knie ging. Sekundenlang starrte ich es einfach nur an, ehe ich so vorsichtig danach griff, als könnte es mich unvermittelt beißen, und es endlich zögernd zwischen bunten Platinen hervorzog. Es war verblüffend schwer, vollkommen zerkratzt – und anscheinend sehr alt. Befand sich in seinem Innern tatsächlich das Blut der allerersten Lamia? Jener libyschen Prinzessin, die der Legende nach so schön gewesen sein sollte, dass Zeus persönlich sich in sie verliebtund mit ihr Kinder gezeugt hatte? Und die durch einen Fluch seiner eifersüchtigen Gemahlin Hera zu einem wahnsinnigen, bluttrinkenden Ungeheuer geworden war, das letztlich von seinen eigenen Söhnen, die seinen Fluch

Weitere Kostenlose Bücher