Das Blut Des Daemons
das ich meinem Vater gegeben habe …«, er zögerte eine Sekunde. »Er würde vielleicht nicht gutheißen, was ich tue, aber er würde es verstehen. Er hat uns gelehrt, die Traditionen zu respektieren und dass Ehre manchmal das Einzige ist, das einem bleibt; aber er hat uns auch gelehrt, unserem Herzen zu folgen. – Ich bin sicher, erwürde verstehen, dass ich tun muss, was ich tue.« Er schmiegte sein Gesicht ein wenig fester an meine Hand.
»Aber Adrien versteht es nicht«, wandte ich leise ein.
»Das ist Adriens Problem. Ihm habe ich keine Versprechen gegeben.«
Ich zog die Hand zurück und ließ sie in meinen Schoß sinken. »Es tut mir so leid.«
»Was? Dass Samuel die nächste Princessa Strigoja kontrollieren wollte und deshalb versucht hat deinen Wechsel vorzeitig zu erzwingen?« Ich schwieg, senkte den Kopf und biss mir auf die Lippe, bis ich Blut schmeckte. Was hätte ich auch sagen sollen? Julien lehnte sich ein klein wenig vor, verschränkte seine Finger mit meinen. »Die Letzte, die an irgendetwas Schuld hat, bist du, Dawn. Die Allerletzte.« Einen Moment betrachtete er unsere Hände, ehe er »Vielleicht wäre es besser gewesen, wenn ich es zugelassen hätte« flüsterte.
Erschrocken sah ich auf. »Nein! Das … das kannst du … du … nein …« Allein der Gedanke war so entsetzlich, dass ich die Worte nur hervorstammelte.
»Schsch.« Diesmal war es Julien, der mir die Hand an die Wange legte. »Was geschehen ist, ist geschehen. Vergiss, was ich gesagt habe.« Er lächelte reumütig. »Ich hatte im Flugzeug einfach zu viel Zeit zum Nachdenken.«
Im Flugzeug. – Auf dem Weg nach Marseille.
Ich holte langsam Luft. Trotzdem klang meine Stimme immer noch dünn, als ich sprach. »Warum hast du mir nichts gesagt? Als Adrien sagte, du wärst in Marseille, da … Ich hatte wahnsinnige Angst. Was, wenn Gérard davon erfahren hätte?« Ich zögerte eine Sekunde. »Warum hast du mir nicht gesagt, was du vorhast?«
Er senkte den Blick und zog die Hand zurück. Wie zuvor sahen wir beide stumm auf das Röhrchen zwischen seinen Fingern.
»Julien?«, fragte ich irgendwann vorsichtig, als die Stille zu unerträglich wurde.
Für einen Moment presste er die Lippen zu einem dünnen Strich zusammen. »Weil ich nicht wollte, dass du dir Sorgen machst. Weil ich dir keine falschen Hoffnungen machen wollte.« Mit einer abrupten Bewegung kämmte er sich mit den Fingern durch die Haare und schaute endlich wieder auf. »Und weil ich ein egoistischer Idiot bin, der geglaubt hat, eine Entscheidung für dich treffen zu können, die nur du treffen kannst.« Erneut fuhr er sich mit dieser mir inzwischen nur zu vertrauten Geste durchs Haar. »Verstehst du? Ich meine, es war gut versteckt. Die Gefahr, dass es jemand durch Zufall findet, war eigentlich gleich null, aber es … es hätte nicht mehr da sein können. Es lag seit Anfang des letzten Jahrhunderts dort. In einer so langen Zeit kann viel passieren. Auch wenn der, der es gefunden hätte, niemals hätte wissen können, was er da in den Händen hält, das Röhrchen ist aus massivem Gold … Verstehst du? Ich wollte es nicht riskieren, dir Hoffnungen zu machen und sie dann nicht erfüllen zu können. Und ich wollte nicht, dass du noch mehr grübelst, während ich weg bin, als du es ohnehin schon tust.« Er drehte den Zylinder einmal mehr in den Händen. »Aber es ist deine Entscheidung. Immerhin ist es ja dein Leben. Ich habe nicht das Recht …« Mit einem irgendwie zittrigen Atemzug sah er für eine halbe Sekunde zur Seite, ehe seine Augen zu mir zurückkehrten. Diesmal klang seine Stimme fester. »Es ist dein Leben. Du musst entscheiden, ob du es versuchen willst. Ich …« Er schluckte hart. Das Röhrchen gab ein schrilles Kreischen von sich, als er es aufschraubte. Eine Glasphiole kam zum Vorschein, in deren Inneren sich ein dunkles Pulver befand. Julien hielt sie mir hin. »Ich kann es dir nur anbieten.«
Ich starrte darauf. Stumm. Seltsam … betäubt. Das Blut der ersten Lamia; der Urmutter seiner Art. O mein Gott. Ichkonnte mich nicht bewegen. Selbst meine Hände gehorchten mir nicht. Ich konnte es nur anstarren.
»Man sagt ihm nach, es könne jede Krankheit heilen.« Julien kippte sie langsam auf die andere Seite, den Zeigefinger fest auf die eine Spitze gepresst. Gebannt beobachtete ich, wie das Pulver der Bewegung folgte. »Ungeahnte Macht verleihen. Selbst über Tiere, das Wetter, den Verstand jedes beliebigen Lebewesens. Wer nur ein einziges Körnchen
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